Last Night in Soho

Prädikat besonders wertvoll
Länge:
116 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Kinostart:
11.11.2021
Regie:
Edgar Wright
Darsteller:
Thomasin McKenzie (Eloise „Ellie“ Turner), Anya Taylor-Joy (Sandy), Michael Ajao (John), Matt Smith (Jack), Synnøve Karlsen (Jocasta) u. a.
Genre:
Thriller , Horror , Drama
Land:
Großbritannien, 2021

Dass er ein Kenner der Popkultur ist, der viel und gerne mit Zitaten und Versatzstücken spielt, demonstrierte Filmemacher Edgar Wright („Scott Pilgrim gegen des Rest der Welt“, „Shaun of the Dead“) zuletzt in seinem 2017 veröffentlichten Gangsterfilm „Baby Driver“. Wie so oft in seinen Werken kommt dabei dem Soundtrack eine wichtige, für eine lässige Grundhaltung sorgende Bedeutung zu. Viele Querverweise – besonders auf das italienische Giallo-Kino – und Songs mit Ohrwurmqualitäten treffen nun auch in seiner neuen Regiearbeit „Last Night in Soho“ aufeinander, einer formal extravaganten und ehrgeizigen Kreuzung aus Psychothriller und Horrorfilm, die eine zunehmend unheimliche Zeitreise mit sozialkritischen Tönen verbindet.


Worum es in „Last Night in Soho“ geht:


Die seit dem Selbstmord ihrer Mutter bei ihrer Oma wohnende Eloise „Ellie“ Turner kann ihr Glück kaum fassen, als sie einen Platz an einer Londoner Hochschule für Modedesign erhält. Voller Vorfreude, aber auch ein bisschen eingeschüchtert bricht die junge Frau aus der Provinz Cornwalls in die pulsierende Metropole an der Themse auf. Nach ihrer Ankunft ist sie allerdings schnell enttäuscht. Weil sie selbst geschneiderte Kleidung statt Markenklamotten trägt und keine große Lust auf Partys hat, wird sie von einigen Mitstudierenden verspottet. Genervt von den Attacken zieht sie kurzerhand aus dem Wohnheim aus und mietet ein kleines Zimmer bei einer alten Dame. In ihrer neuen Unterkunft taucht sie schon bald in ihren Träumen in das Londoner Nachtleben der Swinging Sixties ein und folgt dort der selbstbewussten Sandy, die eine Karriere als Sängerin anstrebt. Als die nächtlichen „Reisen“ düsterere Züge annehmen, fühlt sich Ellie plötzlich in der Realität bedroht.

Aus dem durchaus wendungsreichen Rätselplot kristallisiert sich schon früh ein brandaktuelles Thema heraus: Wie gehen Männer, besonders in der Unterhaltungsbranche, mit Frauen um? Zelebriert „Last Night in Soho“ anfangs noch Ellies positive Vorstellung der Swinging Sixties, entzaubert die mehr und mehr ins Horrorhafte kippende Geschichte langsam das verklärte Bild. Die 1960er Jahren waren keineswegs nur befreiend, führt uns Wright unmissverständlich vor Augen.


Lohnt sich der Film für dich?


Eine verunsicherte Protagonistin, die Realität und Imagination immer schwerer auseinanderhalten kann, und eine traumatische, bis in die Gegenwart hineinreichende Vergangenheit – inhaltlich erinnert Edgar Wrights zwischen den Ebenen hin- und herspringender Ritt an die in den 1960er und 1970er Jahren sehr populären Giallo-Filme. Kennen muss man diese nicht, wer allerdings ein wenig mit der italienischen Thriller- und Krimivariante vertraut ist, dürfte viele kleine Aha-Momente erleben: Grelle Farben und markante Kameraspielereien gibt es hier jedenfalls zuhauf. Bemerkenswert ist außerdem, mit viel Liebe zum Detail die Rückblenden in die Zeit der Swinging Sixties gestaltet sind. Kostüm-, Masken- und Szenenbild geben dem Film einen kräftigen Retro-Touch. Und einmal mehr stimmt der Regisseur die eingesetzten Lieder aus der damaligen Zeit so auf seine Handlung ab, dass sie das Geschehen atmosphärisch bereichern.

„Last Night in Soho“ hat aber auch Schwächen: Vor allem in der Zeichnung von Ellies geltungssüchtiger Mitstudentin Jocasta greift das Drehbuch auf Klischees zurück. Der hilfsbereite John bleibt als verständnisvoller, möglicher fester Freund der Hauptfigur eher blass. Und noch dazu nutzen sich manche Geisterbahneffekte durch wiederholte Verwendung ab. Die Chance auf einen echten Genreknüller verspielt der Film im Finale, das einen Tick zu sehr auf knallig getrimmt ist. Auch wenn hier jahrzehntelanger Schmerz und eine unbändige Wut zum Vorschein kommen, verdeckt die krawallige Eskalation ein wenig die guten Absichten, Gewalt gegen und Ausbeutung von Frauen anzuprangern. Wegdiskutieren kann man diese Mängel nicht.


Unser Fazit zu „Last Night in Soho“:


Formal gibt es einiges zu bestaunen, die Spannungskurve sackt nie in den Keller, und auch die Darbietungen von Thomasin McKenzie („Jojo Rabbit“, „The King“„Leave No Trace“) und Anya Taylor-Joy („Glass“„Vollblüter“„The Witch“) sind überzeugend. Allerdings präsentiert sich der gruselige Psychothriller nicht ganz so raffiniert und ausgefeilt, wie er hätte sein können. Dennoch: Unter dem Strich ist „Last Night in Soho“ einfallsreicher als vieles, was man derzeit im Horror- und Thriller-Kino zu sehen kriegt.

Christopher Diekhaus

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (4. Woche 2022).