Elefant

Länge:
94 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
24.08.2023
Regie:
Kamil Krawczycki
Darsteller:
Jan Hrynkiewicz (Bartek), Pawel Tomaszewski (Dawid), Ewa Skibinska (Barteks Mutter), Ewa Kolasinska (Danuta), Wiktoria Filus (Daria), Maciej Kosiacki (Daniel) u. a.
Genre:
Love Story , Familienfilm , Drama
Land:
Polen, 2022

Der erste lange Spielfilm des Regisseurs Kamil Krawczycki ist autobiographisch geprägt. Für das Liebes- und Familiendrama kehrte er in seine Heimatstadt Zakopane im Süden Polens zurück und filmte in einer idyllischen Hügellandschaft am Fuß der Tatra-Berge. Die Landschaft mag romantisch aussehen, aber Schwule treffen dort bei vielen Einwohner*innen auf Ablehnung. Für sein Debüt wählte der 1990 geborene Filmemacher bewährte Erzählmuster des Coming-Out-Films: Es lehnt sich deutlich an Vorbilder wie „God's Own Country“, „Call Me By Your Name“ oder „Brokeback Mountain“ an, setzt aber durchaus eigene künstlerische Akzente.


Darum geht es in dem Liebesdrama:


Der 22-jährige Bartek lebt auf einem kleinen Bauernhof in Südpolen. Seit sein Vater vor Jahren seine Familie verlassen hat und in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist, muss Bartek sich um den Hof und seine depressive Mutter kümmern, die ihren Kummer im Alkohol ertränkt. Seine Schwester Daria ist mit ihrem Freund nach Norwegen gezogen. Bartek liebt Pferde und träumt davon, ein Gestüt aufzubauen, aber die missgünstige Mutter will ihre beiden Pferde lieber verkaufen.

Als ein alkoholabhängiger Nachbar stirbt, kehrt dessen Sohn Dawid nach 15-jähriger Abwesenheit heim, um den Nachlass zu regeln. Dawid ist etwas älter als Bartek, lebt als Musiker in einer Stadt und macht mit Ohrring und Wollmütze sofort Eindruck auf Bartek. Die beiden kommen sich beim Reiten näher, verlieben sich und haben Sex. Prompt wird Bartek von homophoben Einwohner*innen angefeindet und verliert seinen Aushilfsjob in der Dorfkneipe. Dawid fordert ihn auf, mit ihm wegzugehen, doch Bartek zögert, weil er seine Mutter und den Hof nicht im Stich lassen will.


Was „Elefant“ sehenswert macht:


Mit viel Fingerspitzengefühl zeichnet Regisseur Krawczycki die familiäre und soziale Lage des Protagonisten. Bartek fühlt sich für seine Mutter und den Hof verantwortlich und stellt eigene Bedürfnisse zurück. Doch der Zwiespalt zwischen Pflichtgefühl und Sehnsucht nach Freiheit, zwischen sexuellem Erwachen und Schuldgefühlen wächst, je öfter er mit dem freigeistigen Dawid zusammen ist, der ihn auch mal zum Tanzen in einen lauten Großstadtclub mitnimmt. Jan Hrynkiewicz versteht es in der Rolle des Bartek ausgezeichnet, dieses Hin- und Hergerissensein eindringlich darzustellen. Wenn er etwa mehrfach in den Spiegel schaut, sieht man förmlich, wie in ihm Selbstvertrauen und Widerstandsgeist erwachen. Pawel Tomaszewski steht ihm als Dawid kaum nach – und zwischen den beiden Schauspielern stimmt die Chemie.

Neben den Schauspielleistungen punktet die ruhige Inszenierung mit stimmungsvollen Aufnahmen der weiten Wald- und Wiesenlandschaft, in denen öfter Nebelbänke die Sicht einschränken. Ohne allzu plakativ zu werden, zeigt Krawczycki auf, wie homophobe Ansichten sich in dem ohnehin engstirnigen Milieu ausbreiten. Einmal ist im Fernsehen zu hören, dass die rechtsgerichtete Regierung die Heirat von Homosexuellen verbieten wolle und dass 140.000 Menschen eine entsprechende Petition unterstützten. Spätestens als Unbekannte in greller Farbe „Schwuchtel“ auf die weiße Wand des Bauernhofs schmieren, ist klar, dass Bartek hier nicht glücklich werden kann. Besonders erfreulich ist, dass das leise Drama für den Protagonisten in dieser schier ausweglosen Situation eine plausible Perspektive aufzeigt.

Reinhard Kleber

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