We Are Who We Are

Serienstart:
07.03.2021
Staffel:
1
Folgen:
8
Länge der Folgen:
45 bis 75 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Regie:
Luca Guadagnino
Darsteller:
Jack Dylan Grazer (Fraser), Jordan Kristine Seamón (Caitlin), Chloë Sevigny (Sarah), Alice Braga (Maggie), Scott Mescudi (Richard), Spence Moore II (Danny), Faith Alabi (Jenny) u. a.
Genre:
Drama
Land:
Italien, USA , 2020

Der Junge ist ein Rätsel. Und unsympathisch noch dazu. Bei der Ankunft in Italien steht der 14-jährige New Yorker abseits von seiner Mutter und deren Frau. Während die sich um seinen verschollenen Koffer kümmern, braucht Fraser erst einmal einen Schluck aus dem Flachmann. Der Junge mit dem auffälligen überlangen Designer-T-Shirt, den mehrfarbig lackierten Fingernägeln und den blondierten Wuschelhaaren ist dauergenervt und denkt nur an sich. Es kommt nicht selten vor, dass er andere einfach anrempelt. Und mit seinem Wissen über das Verhalten in anderen Ländern ist es nicht weit her. Italien? Das ist doch das Land des Weins – also kann man auch überall einfach so mit einer Weinflasche rumlaufen und Wein saufen.


Worum es in der Serie „We Are Who We Are“ geht:


Eine US-Militärbasis in Venetien. Wie Gestrandete wirken die Soldaten dort, weit weg von zu Hause – und ebenso fremd wirken sie auf viele Einheimische. Obgleich „We Are Who We Are‟ am Rande auch die Geschichten der Eltern streift, steht vor allem eine Gruppe Jugendlicher im Mittelpunkt, die mit ihren Eltern für höchstens drei Jahre dort gelandet sind. Für Fraser, einen jungen modesüchtigen New Yorker, ist die Situation besonders unangenehm, weil seine lesbische Mutter Sarah das Kommando über die Streitkräfte dort übernehmen wird und er somit unfreiwillig im Rampenlicht steht.

Bis zum Ende der ersten Episode dauert es, bis die Serie zu ihren Hauptfiguren findet. Fraser beobachtet, wie die etwa gleichaltrige Nachbarin Caitlin sich heimlich aus dem Haus schleicht und in eine Bar geht. Fraser folgt ihr – und ist überrascht, als sie dort, ihre langen Haare unter einer Mütze versteckt, offenbar für einen Jungen gehalten wird und sich als Junge ausgibt. Frasers Interesse ist jedenfalls geweckt. Schnell entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden, weil sie beide ähnlich „lost‟ sind. „Nur weil meine Mutter lesbisch ist, muss ich nicht schwul sein!‟, sagt Fraser einmal. Und Caitlin antwortet nüchtern sinngemäß, dass er es aber trotzdem sein dürfe.

Wer bin ich und wer will ich sein? Das sind die wichtigen Fragen, um die sich die Handlung immer wieder dreht und die gleich mehrere Figuren in der Serie beschäftigen. Eine Suche, die immer auch schmerzhaft und mit Rückschlägen verbunden ist. Fraser wird Augen auf einen erwachsenen Soldaten werfen, der nett zu ihm war und seine Leidenschaft für anspruchsvolle Literatur teilt, Caitlin wird immer häufiger versuchen, wie ein Junge auszusehen und in eine für sie neue Rolle zu schlüpfen.


Was an „We Are Who We Are“ besonders ist...


Luca Guadagnino („Call me by your name‟) macht es dem Publikum nicht leicht. Kühl beobachtet man die Protagonist*innen, nicht gerade gemütlich ist der Schauplatz. Das Urlaubsitalien gibt es in dieser achtteiligen Serie nicht zu sehen. Und das, was passiert, erzählt sie langsam, nimmt sich Zeit für kleine Beobachtungen und Umwege, bleibt manchmal viel länger als üblich in einer Szene und gönnt sich auch einige Freiheiten. Eine ganze Episode lang etwa begleitet sie die Clique, der sich durch Caitlin auch Fraser anschließen kann, bei einer ausschweifenden Party in einer Villa. In die Handlung der sechsten Episode fließt plötzlich eine Musicalszene ein, die genauso inszeniert wurde wie das Musikvideo zu „Time will tell‟ von Blood Orange. Und in der letzten Folge schwelgt die Serie in einem langen Konzertbesuch und saugt die Atmosphäre auf. Rückblickend sind es diese überraschenden Ausbrüche aus der gewohnten Netflix-Seriendramaturgie, die „We Are Who We Are‟ einen besonderen Flair verleihen. Zum schnellen Weggucken ist die Serie sicher nicht geeignet. Dafür nimmt sie sich Zeit für ihre kantigen und kantig bleibenden Figuren, erklärt nicht alles, lässt Raum – und erzählt ohne Voyeurismus über die Auseinandersetzung mit Geschlechtsidentitäten.

„We Are Who We Are‟ tritt manchmal auf der Stelle, stößt vor den Kopf, erzählt vielleicht sogar für die Laufzeit auch zu wenig. Aber weil die Serie so offen und uneindeutig bleibt und die Figuren auch ihre Macken behalten dürfen, ist die Serie dann doch bemerkenswert. Und sie trifft den Nerv, weil es um die Suche nach dem Platz im Leben geht, Ergebnis offen. „Time will tell‟ wird dann auch zum Song, der wie ein roter Faden durch die Episoden führt. „It is what it is‟, heißt es einmal in diesem. Was eigentlich auch nur bedeutet: We are what we are.

Stefan Stiletto

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (9. Woche 2021).