Horizont

Länge:
85 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 12 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Kinostart:
06.10.2022
Regie:
Emilie Carpentier
Darsteller:
Tracy Gotoas (Adja). Sylvain Le Gall (Arthur), Niia Hall (Sabira), Clémence Boisnard (Océane), Dembélé (Tawfik)
Genre:
Jugend , Drama
Land:
Frankreich, 2019

Französische Sozialdramen drängen in den letzten Jahren verstärkt auf den Markt. Oft sind es die Banlieues – die Randbezirke um Paris – die dabei im Zentrum stehen, etwa wie in dem von der Kritik gefeierten „Die Wütenden – Les Misérables“. In Emilie Carpentiers Film „Horizont“ wirken die Verhältnisse auf den ersten Blick weniger kompliziert, denn da ist die lebenslustige Adja, eine sich anbahnende Liebesgeschichte, da sind die idyllischen Bilder von Feldern vor Paris und ein treibender optimistischer Soundtrack. Auf den zweiten Blick sieht das Ganze allerdings anders aus.


Was dich in „Horizont“ erwartet:


Adja hat vor allem gerne Spaß, etwa wenn sie mit ihren Freundinnen auf einer Cosplay-Convention das Leben feiert. „Kommt raus aus dem Internet“, postet ihre beste Freundin Sabira ausgelassen – sie ist als Influencerin erfolgreich. Die Umweltaktivist*innen, die wieder mal die Straße blockieren und versuchen, Leute für ihre Sache zu gewinnen, verspotten die Mädchen lauthals, schließlich nerven die mit ihrem gewichtigen Getue. Aber unter ihnen ist Arthur, mit dem Adja gemeinsam ein Praktikum in der Altenpflege macht. Und obwohl die beiden ständig aneinandergeraten, sind sie auch fasziniert voneinander.

Arthur hat sich einer Protestbewegung gegen das riesige Bauprojekt „Dream City“ angeschlossen – ein gigantischer Vergnügungs- und Einkaufstempel, der das Viertel angeblich aufwerten und Arbeitsplätze schaffen soll. Die kleine Kommune hat ein Lager auf dem Baugrund organisiert und versucht sich im einfachen, ländlichen Leben, radikalisiert sich aber zunehmend. Adja, die mit ihrer aus dem Senegal eingewanderten Familie in einem Hochhausviertel am Rand von Paris lebt, beginnt langsam, sich Gedanken zu machen – nicht nur über die Bewegung vor Ort, sondern generell über größere Zusammenhänge und auch ihre eigene Chancenlosigkeit.


Lohnt sich der Film für dich?


Was durch ein Projekt wie „Dream City“ alles verdrängt wird, war Adja zunächst nicht klar. Da ist zum Beispiel Arthurs Vater, ein einfacher Landwirt, der seinen Grund und Boden verlieren wird. Und da sind auch Umweltsünden, die für den Bau begangen werden. Als die 17-Jährige langsam beginnt, sich mit ihrer Umwelt und Politischem zu beschäftigen, fällt ihr auch auf, dass anderen Chancen offenstehen, die für sie verschlossen sind. Wie Adja sich langsam entwickelt, ob durch ihre Verliebtheit in den sanften, aber entschlossenen Arthur, oder durch die eigene Familiengeschichte, das wird im Film sehenswert und einfühlsam nachgezeichnet. Wir erfahren nämlich auch, dass Adjas Mutter in ihrem Heimatort im Senegal gerade um ihr Haus kämpft, da es vom Steigen des Meeresspiegels bedroht ist. Dass Adjas Bruder Tawfik als Profifußballer durchstartet und zum Hoffnungsträger des ganzen Viertels wird. Aber auch, dass eine Verletzung ihn außer Gefecht setzt. Adja begreift so schließlich, wie viel sie zu verlieren hat. Vielleicht viel mehr als die anderen Protestler*innen, die aus eher bürgerlichen Verhältnissen kommen.

„Horizont“ zeigt eine Generation, die sich gegen die bestehenden Verhältnisse auflehnt. Bei der Politisierung der Hauptfiguren wird am Ende zwar ein wenig dick aufgetragen, dafür gibt es aber viele Zwischentöne und Ambivalenzen, auch in Adjas Charakter. Die jungen Darsteller*innen überzeugen durch die Bank, allen voran die temperamentvolle Tracy Gotoas in der Hauptrolle. Ein sehenswerter Debütfilm, der die Generation „Fridays for Future“ ohne Umschweife feiert.

Christiane Radeke

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