Kabul Kinderheim

Länge:
90 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Kinostart:
04.11.2021
Regie:
Shahrbanoo Sadat
Darsteller:
Qodratollah Qadiri, Sediqa Rasuli, Masihullah Feraji, Hasibullah Rasooli, Anwar Hashimi u. a.
Genre:
Drama , Jugend
Land:
Afghanistan, Deutschland, Dänemark u.a., 2019

Darum geht es in „Kabul Kinderheim“:


Zugegeben, der deutsche Filmtitel macht nicht unbedingt Lust auf mehr, darüber hinaus führt er aber auch in die Irre. Denn genau genommen handelt es sich gar nicht um ein Kinderheim, sondern um ein Waisenhaus, in das der 15-jährige Quodrat zeitgleich mit vier anderen Jugendlichen kommt, nachdem er auf der Straße von der Polizei aufgegriffen wurde, weil er überteuerte Kinotickets verkauft hat. Ganz ähnlich wie in anderen Heim- und Internatsfilmen müssen sich die Neuzugänge auch hier erst mit den strengen Regeln vor Ort vertraut machen und ihren Platz in der Gemeinschaft finden, in der die Platzhirsche ihre Vormachtstellung verteidigen und brutal ausnutzen. Nicht allen gelingt die Eingliederung so gut wie Quodrat, der vor seiner Heimeinweisung ein begeisterter Anhänger der damals in Kabul sehr populären Bollywood-Filme war und sich nun bei jeder Gelegenheit in diese filmischen Vorbilder hinein träumt – Romantik und harte Action inklusive.


Lohnt sich ein Blick in den Film für mich?


Wie schon ihr 2016 in Cannes gefeiertes Debütwerk „Wolf and Sheep“ beruht auch der zweite Kinofilm der jungen afghanischen Regisseurin Shahrbanoo Sadat auf dem unveröffentlichten Tagebuch eines Freundes, der Quodrat sein könnte. Das erklärt, warum der Film wie ein Tagebuch stark episodisch aufgebaut ist und keine kontinuierliche Entwicklung verfolgt, sondern aus vielen Schlaglichtern und Momentaufnahmen zusammenmontiert ist. Dramatische Ereignisse stehen unmittelbar neben glücklichen und unbeschwerten Momenten, Traum und Realität vermischen miteinander und nicht alles wird auserzählt. An der konsequent eingehaltenen Erzählperspektive, in der das Politische immer nur von außen in den Lebensalltag hereinbricht, liegt es wohl auch, dass die sowjetische Besatzungsmacht im Film so gut wegkommt, obwohl Afghanistan in jener Zeit über eine Million Tote zu beklagen hatte und mehrere Millionen Menschen das Land verließen. So gesehen ist der Film auch ein interessantes Geschichts- und Zeitdokument. Vor allem aber ein Film über Quodrats Sehnsüchte und Träume und zudem einer, der den Vergleich mit internationalen Produktionen nicht zu scheuen braucht.

Holger Twele

Anbieter

FilmverleihSteppenwolf