Wenn Gott schläft

„Ich bin ein Flüchtling“, heißt es in einem Song des iranischen Sängers und Rappers Shahin Najafi, „gefangen in einer niemals endenden Flucht.“ 2005 verließ Shahin Najafi seine Heimat, weil er dem massiven Druck der iranischen Regierung gegen die politischen Botschaften in seinen Liedtexten nicht mehr ausgesetzt sein wollte. Seitdem lebt und arbeitet er im Exil in Deutschland, singt gegen Gewalt, Repression, Homophobie und gegen die Unterdrückung der Frau in seinem Heimatland an. 2012 wurde über Shahin Najafi von radikalen Geistlichen eine Fatwa verhängt, die seinen Tod fordert. Der „Grund“: In dem satirischen Song „Naghi“ soll er den von den Schiiten verehrten Imam Ali al-Naghi beleidigt haben. Es wurde ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf Shahin Najafi ausgesetzt, das inzwischen auf 500.000 erhöht wurde. Im Internet fordern Tausende von Gläubigen seine Hinrichtung, selbst in Deutschland erhält er immer wieder Todesdrohungen. Trotzdem tritt Shahin Najafi nach wie vor öffentlich auf und gibt Konzerte – trotzig, mutig und aufrüttelnd.

Dokumentarfilmer Till Schauder („Der Iran Job“, „Glaubenskrieger“) hat den „Rushdie des Rap“ über einen längeren Zeitraum durch den Alltag begleitet und sich selbst dabei in Gefahr begeben. Er zeigt, wie Shahin Najafi mit der täglichen Bedrohung umgeht – die Verriegelung seiner Wohnungstür, die Waffen neben seinem Bett, die „wachsame“ Schlafhaltung, die ständigen Veränderungen seines Äußeren, um nicht erkannt zu werden. „Die Angst“, sagt Shahin Najafi, „ist wie meine Hand, sie ist ein Teil von mir“. Wie schwer es ist, damit zu leben, welche Folgen diese Angst für den Sänger selbst, aber auch für seine Freundin, seine Bandmitglieder und Freunde hat, dokumentiert Till Schauder auf eindrückliche Weise. Nicht jeder hält den Druck aus, wie zum Beispiel Najafis langjähriger Manager. Und doch weiß jeder, dass nur eine große Öffentlichkeit und internationale Aufmerksamkeit den kritischen Sänger schützen kann. Till Schauder leistet mit seinem bewegenden, vielschichtigen und mitreißenden Porträt einen wichtigen Beitrag dazu.

Barbara Felsmann