The Anthem of the Heart

Schon als kleines Mädchen hat Jun eine lebhafte Fantasie und schmückt die Realität um sich herum mit märchenhaften Geschichten aus. Doch ist sie sich der Auswirkungen nicht bewusst, als sie ihrer Mutter eines Tages erzählt, wie sich ihr Vater – der Prinz – oben am Schloss mit einer wunderschönen Prinzessin getroffen hat. Als die Familie schließlich zerbricht, gibt ihr Vater Jun die Schuld daran, weil sie so eine schreckliche Plapperliese sei. Jun schwört sich, dass so etwas nie wieder passieren soll, und ein sprechendes Ei erscheint und verschließt ihr den Mund mit einem Reißverschluss. Ab diesem Zeitpunkt ist Jun stumm und immer wenn sie zu reden versucht, bekommt sie grässliche Bauchschmerzen.

Einige Jahre später wird dann in ihrer Schulklasse ein Komitee gebildet, um eine Aufführung für den Regionalausschuss auf die Beine zu stellen. Der Lehrer würfelt das Team wild zusammen und so landet auch Jun unfreiwillig darin – gemeinsam mit einem mürrischen Baseball-Kapitän, einer beliebten Cheerleaderin und dem geheimnisvollen Außenseiter in der Klasse. Keiner von ihnen hat Lust auf die bevorstehende Aufgabe, und doch bildet sich allmählich der Plan, es zum ersten Mal mit einem Musical zu versuchen. Aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft entstehen Freundschaften und Jun beginnt sich zu öffnen. Es besteht sogar die Hoffnung, dass sie mit einem wagemutigen Schritt ihre Stimme zurückerlangt.

Eigentlich sind es typische Teenagerprobleme, die in „Anthem oft he Heart“ thematisiert werden: Trennung der Eltern, ein schwaches Selbstwertgefühl, Gruppenbildung in der Schule, erste Erfahrungen mit der Liebe und das ständige sich beweisen müssen. Doch in der Umsetzung ist es so viel mehr als das: Regisseur Tatsuyuki Nagai („Anohana – Die Blume, die wir an jenem Tag sahen“) verwebt die Geschichten der Jugendlichen auf zauberhafte Weise zu einem modernen Märchen und gibt dabei einen tiefen Einblick in die schwermütige Gedankenwelt hinter den nach außen hin oft so belanglos wirkenden Schwierigkeiten. Jeder der Jugendlichen hat seinen Packen zu tragen und es scheint einfacher, das ewige Versteckspiel einfach weiterzuspielen, als gemeinsam über Gefühle zu sprechen. Juns Stummheit ist bloß der höchste Ausschlag einer weitverbreiteten Tendenz – denn bei ihr ist die Angst am größten, mit ihren Worten erneut Schaden anzurichten. Umso schöner ist es dann zu sehen, wie bei allen langsam die Schutzhüllen aufbrechen und plötzlich Zusammenhalt entsteht. „Anthem oft the Heart“ zieht uns als Zuschauer tief in seine gefühlvoll inszenierte Geschichte hinein und lässt uns schließlich mit einem nachdenklichen Lächeln zurück.

Die Blu-ray Daten sind identisch mit den DVD-Daten.

Marius Hanke