Sunset

Länge:
136 Minuten (Blu-ray: 142 Minuten)
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
13.06.2019
Regie:
László Nemes
Darsteller:
Juli Jakab (Írisz Leiter), Vlad Ivanov (Oszkár Brill), Evelin Dobos (Zelma), Marcin Czarnik (Sándor), Judit Bárdos (Szeréna), Levente Molnár (Gaspar)
Genre:
Historienfilm , Drama
Land:
Ungarn, Frankreich, 2018

Im Jahr 1913 verschlägt es die junge Írisz Leiter in ihre Heimat Budapest, wo sie sich in einem Hutgeschäft, das ihren Nachnamen trägt, um eine Stelle bewerben will. Einst gehörte der exklusive Laden ihren bei einem Brand ums Leben gekommenen Eltern. Heute jedoch wird er von Oszkár Brill geleitet, der die Rückkehrerin nach kurzer Unterredung abweist und ihr rät, die Stadt so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Írisz hingegen denkt nicht daran aufzugeben. Erst recht nicht, als sie von einem bislang unbekannten Bruder erfährt, über den schreckliche Gerüchte kursieren. Angeblich hat er einen Adeligen brutal ermordet. Unbeeindruckt von den Erzählungen macht sich Írisz auf die Suche nach dem Verwandten, taucht tiefer in ihre Vergangenheit ein und spürt dabei, dass es in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bedrohlich gärt.

Mit seinem abendfüllenden Regiedebüt Son of Saul, einem erschütternden KZ-Drama, das unter anderem einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt, sorgte László Nemes im Jahr 2015 für weltweites Aufsehen. Diskutiert wurde neben moralischen Fragen vor allem über die unkonventionelle, konsequent rastlose Inszenierung, die dem Zuschauer fast keine Luft zum Atmen lässt. Obschon „Sunset“, der zweite Spielfilm des ungarischen Regisseurs, in einer anderen Zeit spielt, greift Nemes seinen stark subjektiven, nur wenig Überblick gewährenden Ansatz abermals auf. Auch die Odyssee der getrieben wirkenden Írisz vermittelt sich fast ausschließlich über nahe Einstellungen, wobei die Kamera die meiste Zeit am Hinterkopf der Protagonistin klebt, ihr in jede noch so düstere Ecke folgt und stets nur einen kleinen Ausschnitt der Handlungswelt offenbart. Was jenseits der Bildränder geschieht, ist oftmals bloß zu erahnen. Ähnlich schwer zu fassen sind die Gespräche, die im Vorbeigehen angerissen werden. Ebenso wie die beharrliche, erstaunlich mutige Írisz taumelt der Betrachter regelrecht durch die Straßen und Salons Budapests auf der Suche nach etwas Orientierung, etwas Halt. Die fast schon detektivischen Recherchen entwickeln rasch einen enormen Sog. Und das, obwohl Nemes auf Plot-Ebene den Schleier des Nebulösen nur selten lüftet. Immer mal wieder werden gegenüber der Hauptfigur kryptische Warnungen ausgesprochen. Mehrfach ist von einer gewaltsamen Verschwörung die Rede. Und auch die fragwürdigen Praktiken der feinen Gesellschaft scheinen an manchen Stellen durch. „Sunset“ erzählt allerdings keine stringente Geschichte, die am Ende alle Unklarheiten beseitigt, sondern will vielmehr ein Gefühl für die explosive, politisch aufgeheizte Stimmung kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs transportieren, der Europa ins Chaos stürzen wird. Nemes‘ fiebrige Inszenierung und die stark eingeschränkte Perspektive sind dafür wie gemacht und halten die Spannung in vielen Passagen oben. Manchmal fragt man sich jedoch schon, ob die spezielle Aufmachung des mit 142 Minuten etwas zu lang geratenen Films nicht auch ein bisschen zu einer Masche, einem Taschenspielertrick verkommt. Bei seinem nächsten Projekt sollte der Regisseur zur Abwechslung vielleicht einmal eine andere Art der Darstellung wählen.

Christopher Diekhaus

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Sprachen: Deutsch, Ungarisch

Untertitel: Deutsch

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Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (42. Woche 2019).