Sully

Anfang 2009 durchlebt der erfahrene Pilot Chesley Sullenberger den wohl dramatischsten Tag in seiner Laufbahn. Kurz nach dem Start der von ihm gelenkten US-Airways-Maschine kommt es zu einem verheerenden Vogelschlag, der beide Triebwerke in Mitleidenschaft zieht. Da eine Landung am Abflugort LaGuardia oder am nahegelegenen Teterboro Airport nach Einschätzung Sullenbergers zeitlich nicht mehr möglich ist, bereitet der Flugkapitän, unterstützt von seinem Ersten Offizier Jeff Skiles, eine Notwasserung auf dem Hudson River vor, die alle Menschen an Bord wie durch ein Wunder überleben. Während Bevölkerung und Medien den Piloten anschließend als Helden feiern, richtet die Nationale Transportsicherheitsbehörde NTSB eine Untersuchungskommission ein, die den Hergang der Beinahe-Katastrophe überprüfen soll und zu dem Ergebnis kommt, dass Sullenberger und Skiles das riskante Rettungsmanöver unnötigerweise vorgenommen und damit gegen Dienstvorschriften verstoßen haben.

Wie so oft in den vergangenen Jahren dient Clint Eastwood, dem Grandseigneur des klassischen amerikanischen Erzählkinos, eine wahre Begebenheit als Ausgangspunkt für eine neue Regiearbeit. Jeder dürfte noch die Bilder einer im Wasser treibenden Passagiermaschine vor Augen haben, die im Januar 2009 um die Welt gingen. Die dramatischen Ereignisse während der Notlandung lässt das biografische Drama jedoch zunächst außen vor und konzentriert sich anfangs auf das Befinden des Piloten, nachdem er die Katastrophe abgewendet hat. Grauenvolle Absturz-Albträume und ein plötzliches Anschwellen der Klangkulisse lassen erahnen, dass Sullenberger trotz des glücklichen Ausgangs psychisch angeschlagen ist. Tom Hanks, dem es einmal mehr vorzüglich gelingt, hinter seiner Rolle zu verschwinden, macht mit präzisem Mienenspiel die Verunsicherung seiner Figur erfahrbar. Die Wucht der medialen Lobeshymnen ist dem Gefeierten spürbar unbehaglich, weshalb er immer wieder betont, dass er kein Held sei. Seine Bescheidenheit drückt sich auch im schlichten Filmtitel aus, der mit dem Spitznamen des Protagonisten heroische Anflüge umschifft. Nichtsdestotrotz ist offensichtlich, dass Eastwood Sullenberger für seine Rettungstat ein Denkmal setzen will. Die Mitglieder der NTSB-Kommission werden als spitzfindige Bürokraten gezeichnet, die die Integrität des Piloten in Zweifel ziehen und seine Leistung um jeden Preis in ein Fehlverhalten umdeuten wollen. Gerade zum Ende hin hätte dem Tatsachendrama in diesem Punkt eine etwas nuancierte Darstellung gut getan. Die Drehbuchmängel fallen jedoch nicht sonderlich negativ ins Gewicht, da die überzeugende Darbietung des Hauptdarstellers und die souveräne Inszenierung den Film auf Kurs halten. Dass der mittlerweile 86-jährige Regisseur sein Handwerk beherrscht, beweisen vor allem die Sequenzen, in denen die Momente vor und nach der Notwasserung eingefangen werden. Obwohl der Ausgang der Geschehnisse bekannt ist, erzeugt „Sully“ hier – auch dank gut platzierter Perspektivwechsel – einen erstaunlichen Sog, ohne dabei allzu aufdringliches Pathos zu verströmen. Gerade deshalb stellt sich allerdings die Frage, warum Eastwood seine Aufarbeitung übertrieben salbungsvoll beschließen muss.

Blu-ray-Bildformat:1:2,40/1080p
Ton:Dolby Atmos
Sprachen: Deutsch Dolby Atmos/Englisch Dolby Atmos
Untertitel: Ungarisch

Christopher Diekhaus