Stichtag

Serienstart:
12.11.2020
Staffel:
1
Folgen:
10
Länge der Folgen:
17 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Regie:
Christof Pilsl
Darsteller:
Elena Huber (Emi), Vedat Kocabay (Aleks), Melina Celine Hecklau (Samira), Vaso Fotoglidis (Laura), Ben Felipe (Yannick), Sorino Zehentmeier (Anton), Rabea Babic (Alina), Nando Nenning (Nino)
Genre:
Land:
Deutschland, 2020

Eine deutsche Comedyserie über eine Sexwette unter 15-Jährigen – das hört sich nach Klischees und Flachwitzen an. Hier ist aber nicht nur die Location – das schmuddelige München der Vororte – anders. Die Charaktere wirken echt und lebensnah, die Dialoge kommen direkt von der Straße, das Lebensgefühl: irgendwo zwischen YouTube und Verlorenheit. Das alles ist dann oft auch ziemlich lustig, oder traurig, oder beides zusammen.


Was dich in der Serie „Stichtag“ erwartet?


Am Anfang der Sommerferien hängt die Mädchenclique um Laura, Samira und Alina auf den Betonplätzen des Viertels ab. Es wäre entsetzlich langweilig, wäre da nicht die bescheuerte Sexwette der Jungs und die Neue, Emi. Yannick, Aleks, Anton und Nino wetten, wer bis zum Ende der Sommerferien noch keinen Sex hatte, muss am 1. Schultag nackt über den Schulhof laufen. Eine wahre Horrorvorstellung. Die Mädchen rollen die Augen. So eine Wette hat ihnen gerade noch gefehlt. Samira ist misstrauisch, vor allem da Yannick und Aleks gleich ein Auge auf Emi geworfen haben. Dabei ist Samira gewohnt, die meiste Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber Laura findet Emi cool, immerhin hat die bei einem Ladendiebstahl von Kondomen geholfen, sie wird in die Clique aufgenommen. Überhaupt geht es offenbar immer nur um Sex, bei den Jungs wie bei den Mädchen. Oder etwa nicht? Samira trauert heimlich Yannick nach, obwohl die Sache mit dem Sex mit ihm so gar nicht klappen wollte. Anton ist in Laura verknallt, der nachdenkliche Nino ist viel zu schüchtern und Alina hat Stress mit ihren älteren Brüdern, wenn sie sich auch nur ein enges T-Shirt anzieht. Über Sex wird viel geredet, aber eigentlich geht es um noch viel mehr. Um Liebe, Anerkennung, Freundschaft, Loyalität, darum Spaß zu haben. Eben um alles, was das Leben lebenswert macht.


Was „Stichtag“ besonders macht:


Ursprünglich als Webserie konzipiert sind die Episoden mit jeweils 17 Minuten knackig kurz. Das Erzähltempo kommt nie ins Schlingern, hier geht es schnell zur Sache. Das Besondere an „Stichtag“ aber ist vor allem das Drehbuch, das die heimlichen Ängste der Characktere immer ernst nimmt und sie nicht vorführt. Die Dialoge sind zwar oft derb, aber nie peinlich. Der junge Cast liefert eine tolle Leistung, allesamt unbekannte neue Gesichter, bis auf die Darstellerin der Samira, eine Social-Media-Influencerin.

Auch die Handlung wirkt authentisch und realistisch. Drogen gehören zum Alltag, kiffen, Alkohol, wenn Party gemacht wird auch mehr. Die Zeit läuft, die Wette muss eingelöst werden. Einer will es mit Viagra versuchen, ein anderer spart sein Geld für einen Puffbesuch. Anton hat Erfolg bei Laura, bis beide merken, dass es für sie um mehr geht. Aber Anton stellt das Sexvideo ins Netz. Emi will sich aufsparen und zeigt den Jungs wegen der Sexwette einen Vogel. Aber sie mag Aleks, der sich um seine kranke Mutter kümmert. Trotzdem klaut sie deren lebenswichtige Medikamente, sie hat ein Drogenproblem. Samira arbeitet an ihrem Image als sexy YouTube-Blondine, wäre aber so gerne mit Yannick zusammen. Alina schminkt sich heimlich und ärgert sich über die Doppelmoral ihrer Brüder, die ihr alles verbieten, aber selber machen, was sie wollen.

Die Serie umschifft erfolgreich abgegriffene Klischees. Laura ist curvy, muss aber nicht „die lustige Dicke“ geben. Im Gegenteil, sie ist cool, selbstbewusst und klug und wird heftig begehrt. Der Clown der Clique Anton kann zu seinen Gefühlen stehen. Aleks ist, wie er selbst sagt, „Kurde/Albaner wallah beste“, muss aber nicht einen auf Straßengangster machen, sondern ist sensibel und kann sich in die Gefühlswelt der Mädchen von allen am besten einfühlen. Samira gerät zwar in eine heftige Rivalität mit Emi, aber im Ernstfall halten die Mädchen zusammen. Die Eltern treten kaum in Erscheinung und wenn, dann geben sie keine Vorbilder ab. Emis Hipster-Vater kann noch nicht mal Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen. Yannicks Vater ist von der alten Schule, ein Gürtel soll dem Sohn Stärke einprügeln. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf. Eine Grenzüberschreitung passiert, weil sich die Jungs zu viel Druck machen. Sie passiert, weil Sehnsucht nach Zuwendung mit Anerkennung über Sex verwechselt wird, weil Drogen im Spiel sind und nicht alle so verantwortungsbewusst wie Laura oder Aleks. Am Ende ist der größte Liebesbeweis vielleicht der, eben keinen Sex zu haben. Oder ehrlich zu sich selbst zu sein. Oder einfach zu akzeptieren, dass jung sein ganz schön schwierig und Freundschaft eine Menge wert ist. Wenn nicht vielleicht sogar das wichtigste im Leben.

Christiane Radeke

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (46. Woche 2020).