Schlaf

Länge:
102 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Kinostart:
29.10.2020
Regie:
Michael Venus
Darsteller:
Gro Swantje Kohlhof (Mona), Sandra Hüller (Marlene), August Schmölzer (Otto), Marion Kracht (Lore), Max Hubacher (Christoph)
Genre:
Horror , Thriller
Land:
Deutschland, 2020

Anders als etwa in Spanien oder Frankreich laufen heimische Thriller- oder Horrorproduktionen hierzulande im Kino fast immer unter dem Radar. Zu echten Kassenschlagern entwickelten sich düstere deutsche Genrefilme in den letzten Jahren nicht. Selbst dann nicht, wenn es sich – wie bei „Abgeschnitten“ – um die Adaption eines Bestsellers handelt. Verantwortlich für die Skepsis der hiesigen Zuschauer*innen ist sicherlich auch die oft mangelnde filmische Qualität. Mit Missachtung gestraft werden aber leider ebenfalls kleine Perlen, wie sie gelegentlich entstehen. Eine solche ist das Spielfilmdebüt von Michael Venus, der mit „Schlaf“ einen erfreulich souverän inszenierten Provinzhorrorstreifen vorlegt.

Ausgangspunkt der Geschichte ist ein aus dem Genre bestens bekanntes Motiv: die unheimliche, schwer begreifliche Wirkung von Albträumen. Mit diesen zu kämpfen hat die Flugbegleiterin Marlene, die von den Bildern eines seltsamen Hotels verfolgt wird. Als sie in einem Bordmagazin entdeckt, dass es den Ort aus ihren Träumen tatsächlich gibt, macht sie sich ohne das Wissen ihrer Tochter Mona auf den Weg dorthin. In der kleinen Gemeinde Stainbach angekommen, erleidet Marlene im menschenleeren „Hotel Sonnenhügel“ jedoch einen schweren Anfall und landet, gefangen in einem Zustand völliger körperlicher und geistiger Regungslosigkeit, in einer nahen Klinik. Alarmiert über die Verfassung ihrer Mutter, stellt die herbeigeeilte Mona Nachforschungen an und taucht dabei auch in ihre Familiengeschichte ein.

Dass sich Venus in seinem Erstlingswerk von Größen der düsteren Genreunterhaltung inspirieren ließ, ist unverkennbar. Ein Hotel, in dem schaurige Kräften walten, erinnert an Stanley Kubricks meisterliche Stephen-King-Adaption „Shining“. Und der mit vielen surrealen Elementen angereicherte Blick hinter die beschauliche Fassade der Bürgerlichkeit lässt an David Lynch, besonders dessen Vorstadtthriller „Blue Velvet“, denken. Gleichzeitig ist „Schlaf“ aber, wie sich langsam zeigt, tief im deutschen Seelenleben verankert. Der Schrecken unserer Vergangenheit spielt ebenso eine Rolle wie die aktuell wieder erstarkten nationalistischen Tendenzen. Hinter der Maske des Biedermanns lauern manchmal tiefe Abgründe, wie uns der Film auf beklemmend-groteske Weise vor Augen führt.

Überlegt spielt der Debütregisseur mit der Ausdruckskraft der Tonspur. Und immer wieder gelingen ihm in Zusammenarbeit mit Kameramann Marius von Felbert rätselhaft-einprägsame Schauerbilder, die Monas Erkenntnisreise zwischen Halluzination und Realität Intensität verleihen. Hier und da lässt sich Venus zwar zu konventionellen, aufdringlichen Schockeffekten hinreißen. Die meiste Zeit vertraut er allerdings auf eine diffuse Atmosphäre der Bedrohung und grenzt seinen psychologischen Horrorthriller dadurch von formelhafter Mainstream-Gruselware ab. Wer nicht nur an einer permanenten Geisterbahnfahrt interessiert ist, sondern Unbehagen mit interessanten inhaltlichen Akzenten sucht, sollte diesem deutschen Genrebeitrag unbedingt eine Chance geben.

Christopher Diekhaus

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (46. Woche 2020).