Sarita - Sag mir, wer ich bin

Länge:
89 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
18.06.2020
Regie:
Sergio Basso
Darsteller:
Sarita u.v.a.
Genre:
Dokumentation , Bollywood , Musikfilm , Politischer Film
Land:
Italien, Deutschland, 2019

Ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Film, der auch formal neue Wege beschreitet, um uns auf so unterhaltsame wie eindrückliche Weise Flüchtlingsschicksale im fernen Nepal nahezubringen. Viele dürften noch nie etwas vom Volk der Lhotshampa in Bhutan gehört haben, die 1990 für mehr demokratische Grundrechte demonstrierten und daraufhin vom König in Bhutan ins Exil geschickt wurden. Das betraf immerhin ein Sechstel der Bevölkerung. Die meisten von ihnen fanden Unterschlupf in dem nepalesischen Flüchtlingscamp Khudunabari, in dem mittlerweile mehr als 100.000 Menschen in einfachsten Verhältnissen „wie im 16. Jahrhundert“ leben. Darunter auch die 13-jährige Sarita, die dort geboren wurde und die Heimat ihrer Vorfahren noch nie gesehen hat. Da ihnen die Rückkehr nach Bhutan verwehrt bleibt, sollen sie nach einem 2007 ins Leben gerufenen Plan der UN-Flüchtlingshilfe in Länder auf der ganzen Welt „umgesiedelt“ werden.

Der italienische Theater- und Filmregisseur Sergio Basso hat das Leben dieser Menschen zehn Jahre lang mit der Kamera begleitet, sich in seinem Film aber nicht für die klassische dokumentarische Form entschieden, sondern das Material in die persönliche Geschichte von Sarita eingebunden. Diese verliert durch eine Gnade des hinduistischen Gottes Shiva ihr historisches Gedächtnis und versucht nun singend, tanzend und mit unbändiger Lebensfreude in echter Bollywood-Manier, sich der Geschichte ihres Volkes wieder zu erinnern. Perfekt choreografierte Tanzszenen, die das ganze Elend künstlerisch auf den Punkt bringen oder in Form eines Werbeclips im Amt für Migration einen bissig-ironischen Kommentar zur Umsiedlungspolitik liefern, wechseln mit von ihr geführten Zeitzeugeninterviews von Geflüchteten und Gefolterten sowie ihren eigenen Alltagserfahrungen mit Familie und Freunden ab. Eine einfache Kamera und ein Tonaufnahmegerät führt sie stets im Reisegepäck. Von Anfang an geht es für sie und ihre Familie um die existenzielle Frage, ob sie ihre angestammte Kultur und den Traum von der alten Heimat Bhutan aufgeben und der Umsiedlung in ein fremdes, nicht asiatisches Land zustimmen soll – und das könnte beispielsweise Australien oder Norwegen sein.

Ohne belehrenden Charakter ist es diesem Film gelungen, das hierzulande kaum bekannte Schicksal eines ganzen Volkes ins Bewusstsein zu rücken und zugleich Empathie zu wecken, was Entwurzelung für viele Menschen bedeutet, die überall auf der Welt ihrer angestammten Heimat und ihrer Kultur den Rücken kehren müssen, um wenigstens eine Zukunftsperspektive zu haben.

Holger Twele

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