Pio

Länge:
118 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
05.04.2018
Regie:
Jonas Carpignano
Darsteller:
Pio Amato (Pio), Koudous Seihon (Ayiva), Damiano Amato (Cosimo), Iolanda Amato (Iolanda), Patrizia Amato (Patatina), Rocco Amato (Rocco), Susanna Amato (Susanna)
Genre:
Drama
Land:
Italien, Frankreich, u.a. , 2017

Gemeinsam mit seiner Familie lebt der 14-jährige Pio in einer Roma-Siedlung am Rande der süditalienischen Küstenstadt Gioia Tauro. Nur zu gerne möchte der Teenager schon jetzt als Erwachsener angesehen werden, weshalb er seinem großen Bruder Cosimo bei jeder Gelegenheit zur Hand geht und sich von ihm erklären lässt, wie man ein Auto kurzschließt und stiehlt. Als die Polizei eines Tages Cosimo und seinen Vater Rocco verhaftet, sieht der forsche Jugendliche seine Chance gekommen. Während die beiden im Gefängnis sitzen, will Pio beweisen, dass er für sich und seine Liebsten sorgen kann. Gegen den Willen seiner charismatischen Mutter Iolanda reißt er die kriminellen Geschäfte seiner Familie an sich und erweist sich beim Verkauf von Diebesware als geschickter und resoluter Verhandlungspartner. Ernste Probleme bekommt der Junge jedoch, als er einen lokalen Gangster zu beklauen versucht.

Nach Mediterranea – Refugees Welcome?, einem von Tatsachen inspirierten und mit Laien besetzten Flüchtlingsdrama, begibt sich der 34-jährige Filmemacher Jonas Carpignano erneut in die Umgebung der kalabrischen Gemeinde Gioia Tauro. Im Mittelpunkt steht dieses Mal nicht das beschwerliche Leben der aus Afrika nach Italien kommenden Migranten, sondern eine real existierende Roma-Gemeinschaft, aus der der Teenager Pio herausgegriffen wird. Erneut arbeitet der Regisseur ausschließlich mit Menschen, die keine professionellen Darsteller sind, was dem Geschehen eine unmittelbare, authentische Note verleiht. Besonders offensichtlich ist der beinahe dokumentarische Ansatz des Films dann, wenn die Mitglieder der Roma-Familie beisammensitzen und wild durcheinanderreden. Wie schon in Mediterranea – Refugees Welcome? vertraut Carpignano auf den Einsatz einer rast- und distanzlosen Handkamera, die das Gefühl der Natürlichkeit ebenso verstärkt wie der Dreh an Originalschauplätzen. Pios fiktionalisierten Alltag, seine langsam Entwicklung zum Mann verfolgt der Zuschauer aus nächster Nähe und baut, nicht zuletzt dank der vorzüglichen Schauspielführung, eine enge Beziehung zum Titelhelden auf. Faszinierend ist der 14-jährige Draufgänger auch deshalb, weil er ein Wandler zwischen den Welten ist. Einerseits will er sich um jeden Preis im Gefüge seiner traditionsbewussten Familie behaupten. Andererseits pflegt er einen erfrischend unverkrampften Umgang mit den afrikanischen Migranten, die ähnlich wie der Roma-Clan einen kräftezehrenden Existenzkampf führen. Seine Freundschaft mit Ayiva, dem Protagonisten von „Mediterranea – Refugees Welcome?“, lässt eine Zukunft ohne kriminelle Machenschaften möglich erscheinen, wird jedoch irgendwann auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Am Ende gerät die wenig formelhafte, von Filmlegende Martin Scorsese mitproduzierte Coming-of-Age-Geschichte zwar etwas plakativ. Carpignano gelingt dennoch ein spannender Blick hinter die Kulissen einer sozialen Randgruppe, der im Kino nur selten mit so viel Empathie begegnet wird wie hier.

Christopher Diekhaus

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