Of Fathers And Sons - Die Kinder des Kalifats

Länge:
99 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
21.03.2019
Regie:
Talal Derki
Darsteller:
Dokumentarfilm
Genre:
Dokumentation , Politischer Film
Land:
Deutschland, Syrien, Libanon, Katar, 2017

Es grenzt an ein Wunder, dass es diesen Film gibt, der unter unmittelbarer Lebensgefahr entstand und intime Einblicke in eine ansonsten hermetisch abgeschlossene Welt ermöglicht. Der nach Berlin geflüchtete syrische Filmemacher Talal Derki ging für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren nach Syrien zurück, denn er wollte herausfinden, welche Spuren dieser Krieg in seinem Heimatland und in den Menschen dort hinterlassen hat. Als Kriegsfotograf getarnt, gewann er das Vertrauen von Abu Osama, einem radikal islamischen Familienvater, zugleich einem al-Nusra Rebellenführer, Ableger der islamistischen Terrorzelle al-Qaida. Seine Aufgabe sah der inzwischen bei der Entschärfung einer Autobombe Verstorbene darin, das Kalifat, also eine islamistische Regierungsform, die von einem weltlichen und geistlichen Führer in Personalunion geleitet wird, in Syrien zu verwirklichen. Für dieses Ziel war ihm jedes Opfer recht, sein eigenes Leben genauso wie das seiner Söhne, die nach dieser Ideologie erzogen wurden.

Der Film zeigt ihn gleichermaßen als fürsorglichen Vater, der mit seinen Kindern äußert liebevoll umgehen kann, wie als strengen Patriarchen, der keinen Widerspruch duldet, Fehler der Kinder unerbittlich bestraft, sie über Minenfelder führt und Bomben vor ihren Augen bastelt. Mitleid kennt er auch gegen sich selbst nicht, nachdem ihm der Fuß durch eine Mine abgerissen wurde. Da er selbst nicht mehr als Kämpfer an der Front zu gebrauchen ist, werden die ältesten Söhne auf ihre Aufgabe, jeden vermeintlichen Feind und jede moderate Gruppe zu bekämpfen, mit militärischem Drill vorbereitet. Eine subtile Spirale der Gewalt und des fanatischen Hasses, wobei auch der Film keine einfache Lösung parat hat.

Es muss für Talal Derki unerträglich gewesen sein, diesen Film zu realisieren, etwa wenn Abu Osama aus einem Unterstand heraus einen nicht sichtbaren Motorradfahrer unter Beschuss nimmt. Schließlich durfte er selber in seiner Doppelrolle nicht auffliegen. Dennoch stellt er aus dem Off wiederholt Fragen an seine Protagonisten, etwa wenn Osamas Söhne am liebsten ihre Cousine umbringen würden, falls sie noch einmal unverschleiert vor das Haus tritt und Derki darauf hinweist, dass das Mädchen doch erst zwei Jahre alt sei. Frauen spielen in diesem Film so gut wie keine Rolle. Es sind die Väter und Söhne, die aus ihrem Glauben heraus eine Rechtfertigung sehen, andere Menschen zu töten. Monster sind sie deshalb dennoch nicht und sie lassen sich auch nicht in die Schublade des Bösen stecken, so gerne man das vielleicht täte. Ein wichtiger Film, der das ganze Ausmaß des syrischen Dilemmas auf den Punkt bringt und in der Kategorie Dokumentarfilm sogar für den Oscar 2019 nominiert wurde.

Holger Twele

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