Nevrland

Länge:
88 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 0 Jahren
Kinostart:
17.10.2019
Regie:
Gregor Schmidinger
Darsteller:
Paul Forman (Kristjan), Simon Frühwirth (Jakob), Markus Schleinzer (Psychotherapeut), Carl Achleitner (Pfarrer), Josef Hader (Vater), Wolfgang Hübsch (Großvater) u. a.
Genre:
Drama , Jugend
Land:
Österreich, 2019

Was ist das nur für ein Leben? Aufgewachsen bei seinem Vater und seinem Großvater in Wien, weiß Jakob im Alter von 17 Jahren nicht mehr, wie es weitergehen soll. Sozial eingeschränkt durch zunehmende Angststörungen, extrem verunsichert durch seinen strengen, emotional verarmten Vater, gleichermaßen wie von seinen heimlichen homoerotischen Neigungen. Nun soll er auch noch im Schlachthof, in der sein ungeliebter Vater tätig ist, eine Lehre beginnen. Auf seiner Flucht in virtuelle, surreale und fiktive Welten wird er in einem Sex-Chat auf den 26-jährigen Künstler Kristjan aufmerksam. Jakob schöpft aus dem Glauben, er habe nun endlich einen Menschen gefunden, der ihn wirklich versteht und ihm zeigt, wie es im richtigen Leben zugeht, zunächst Zuversicht. Der Tod seines Großvaters wirft ihn erneut aus der Bahn und in seinen Angstzuständen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie immer mehr. Seine einzige Hoffnung, diesen Schwebezustand zu überwinden, besteht darin, Kristjan persönlich zu treffen.

Der österreichische Regisseur Gregor Schmidinger greift in seinem mit Josef Hader als Vater hochkarätig besetzten Debütspiel ein Thema auf, das ihn selbst zehn Jahre lang beeinflusst hat und darüber hinaus viele andere, allem voran auch junge Leute, betrifft. Angststörungen gelten inzwischen als die am häufigsten diagnostizierte Erkrankung in der westlichen Welt und sind besonders häufig in der Generation zu finden, die um die Jahrtausendwende geboren wurde. Was wie eine schwarzhumorige „typisch“ österreichische Farce mit bluttriefenden Schlachthausszenen beginnt, entwickelt sich schnell zur Tour de Force über einen Jungen, der an seinen Ängsten und seiner erwachenden Sexualität zu zerbrechen droht. Der subjektiven Kamera gelingt es, mit Unterstützung von Licht- und Farbdramaturgie, diese rational nicht immer erklärbaren oder gar logischen Innenwelten sichtbar zu machen. Mitunter überfordert der Film mit diesen Stilmitteln aber auch sein Publikum, denn es sind weniger diese delirierenden Momente, die im Gedächtnis haften bleiben, sondern Szenen wie beispielsweise eine therapeutische Sitzung, in der sich Jakob seinen Ängsten stellen muss und er aufgefordert wird, sich und diese Ängste gleichermaßen zu verkörpern. Beachtlich für ein Debütwerk und hervorragend besetzt mit dem Hauptdarsteller, der für seine Leistung beim Max Ophüls-Festival 2019 ausgezeichnet wurde, ist der Film kompromisslos, wenn auch etwas sperrig und formal überfrachtet.

Holger Twele

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