Miss Viborg

Warum sich Kate für ihre alte Nachbarin interessiert? Weil sie Geldprobleme hat und ahnt, dass die „Oma“ die Lösung ihrer Probleme sein könnte. 

Worum es in „Miss Viborg“ geht?

Klein, verschlafen, etwas trist – die dänische Provinzstadt Viborg gibt Solvej, Anfang 60, wenig Grund, vor die Tür ihrer Wohnung zu treten. Einmal am Tag dreht sie in der Nachbarschaft eine Runde auf ihrem Senioren-Elektroscooter und vertickt verschreibungspflichtige Medikamente. Die Geschäfte laufen gut und bringen Solvej ihrem Ziel näher: Ein Lebensabend in Spanien. Als bei ihr eingebrochen wird, bleibt zwar ihr Geldversteck unentdeckt, doch Solvej knickt um und kann so schlecht alleine ihren Alltag bewältigen. Als Einzelgängerin wehrt sie sich zunächst gegen Hilfe, guckt sich dann aber ausgerechnet das Nachbarsmädchen Kate dafür aus. Die 17-Jährige, eher der muffelige Typ, scheint eigentlich nicht prädestiniert für den Job. Doch dummerweise hat Kate ihr Handy bei Solvej verloren. Sie ist die Einbrecherin. Solvej sagt dem Mädchen nicht, dass sie das weiß, und nutzt Kates schlechtes Gewissen, um sie bluten zu lassen. Das bringt die beiden so gegensätzlichen Frauen einander näher als gedacht. Solvej findet nicht nur eine Verbündete für ihre Geschäfte, sondern vielleicht noch mehr Gründe, sich doch noch einmal raus ins Leben zu wagen.

Lohnt sich der Film für dich?

„Miss Viborg“, das Langfilmdebüt von Marianne Blicher, stellt zwei Frauen aus ganz unterschiedlichen Generationen einander gegenüber. Kate fühlt sich von der Welt und besonders ihrer Mutter unverstanden und wird von dem Typen, mit dem sie was hatte, erpresst. Solvej hat Postkarten aus aller Welt in ihrer Wohnung hängen, weiß, wo es das beste Wiener Schnitzel in Hannover gibt, und hört Fernfahrern über Funk zu – doch statt selber am Leben teilzunehmen, zieht sie sich lieber eigenbrödlerisch zurück. Wie die zwei Protagonistinnen aufeinandertreffen, sich belauern und zunehmend nicht schaffen, dass die andere ihnen egal ist, erzählt der Film einfühlsam und mit wunderbar trockenem Humor. Da bäckt Solvej für Kate zu ihrem Geburtstag ein ganzes Kuchenbüffet und empfängt sie mit einem Partyhütchen auf dem Kopf. Und Kate fädelt ein Date für Solvej mit dem LKW-Fahrer Preben ein und überfordert die Ältere, die lange allein war, damit vollkommen. „Miss Viborg“ nimmt die Einsamkeit seiner beiden Heldinnen ernst und begegnet ihnen mit Wärme. Und macht Lust, alte Menschen nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Könnte ja sein, dass sich hinter der unscheinbaren Nachbarin ein smarter Badass verbirgt.

Kirsten Loose