Marseille mon amour

Worum es in „Marseille mon amour“ geht:

Vorstadt. Marseille. Sommer. Die Jungs hocken den ganzen Tag im Hof der Hochhaussiedlung, da wo Sonia, Nana und Michel.e für ihren großen Auftritt bei der TikTok-Tanz-Challenge proben wollen. Rauchen Shisha, machen nichts den ganzen Tag, lachen sich kaputt über die Tanzambitionen der Mädchen, sehen überhaupt nicht ein, Platz zu machen. Der Hof ist umkämpftes Territorium. Als Inès auftaucht, gerät alles durcheinander. Inès hat es als einzige raus aus der schäbigen Vorstadt geschafft, war in Paris auf dem Internat und will Tänzerin werden. Groß. Cool. Hübsch. Slimane, „Chef“ von seinen Kumpels genannt, ist hin und weg. Aber ist die Neue nicht eine Nummer zu groß für ihn? Und Gefühle zeigen ist nicht, vor allem wenn Driss dabei ist, der schnell mal ausrastet und vor allem was gegen Michel.e hat, der offen schwul und als Frau gestylt ist.

Wieso sich die französische Jugendserie lohnt:

10 Minuten lange Episoden? Das funktioniert nicht nur, das ist sogar richtig gut. Jede kurze Folge ist in sich spannend und rund, ohne dass der lange Erzählbogen darunter leiden würde. Die Schauspieler*innen sind alle toll, spielen sehr glaubhaft und ausdrucksvoll. Wie schwer es ist, die eigenen negativen Glaubenssätze über Bord zu werfen, das ist der Kern der Geschichte. Du bist aus der Vorstadt? Dann hast du keine Perspektive. Dann ist im Hof abhängen und 500 Euro von Vater Staat kassieren das beste Geschäftsmodell für die Zukunft. Slimane, der mit seiner Oma zusammenlebt, ist der Einzige, der eine Ausbildung gemacht hat. Kochen ist mein Leben, sagt er. Beworben hat er sich aber noch nicht. Da ist die Oma, um die er sich liebevoll kümmert und wenn sie noch so viel an seinem Essen meckert, da sind die Freunde. So ist das hier halt, sagt er. Einmal Bodensatz der Gesellschaft, immer. Aber das ändert sich, als er sich Hals über Kopf verliebt. Und, er kann es kaum glauben, die fremde, so ganz andere Inès erwidert seine Gefühle. Aber dann stolpert er über eine Lüge, weil er sich größer machen wollte, als sein Leben gerade ist. Bis Inès begreift, Worte können auch harte Geschosse sein. Am Ende geht es für die beiden nicht nur um die Liebe, es geht darum, was plötzlich alles möglich wird, wenn da eine Person ist, die an dich glaubt. Angst zu versagen, verhindert die wichtigen Schritte raus aus dem Alten, rein ins Leben. Von Kennenlernen über große Krise zu Gefühlssturm bis Abschied, nichts wird ausgelassen in dieser kleinen, großartigen Serie, die noch dazu richtig Spaß macht.

Christiane Radeke