Lucia - Engel des Todes?

Lucia de Berk arbeitet auf einer Säuglingsstation mit schwerstkranken Babys, denen sie viel Zeit widmet. Als der kleine Timo während ihrer Dienstzeit stirbt, entschließt sich die Klinikleitung zu einer Anzeige. Mehrere Todesfälle während Lucias Dienstzeit deuten darauf hin, dass sie vielleicht ihre Finger dabei im Spiel hatte. Die Staatsanwaltschaft beobachtet die Ermittlungen zunächst zurückhaltend, denn es gibt keinerlei Beweis. Doch die junge, ehrgeizige Anwältin Judith Jansen zerrt fragwürdige Ereignisse aus Lucias Jugend ans Licht und glaubt bald fest an deren Schuld. Und so setzt sie alles daran, Lucia mit Hilfe von Indizien und Täterprofilanalysen zu überführen. Das Täterprofil, das die frisch von der Uni kommende Juristin entwickelt, klingt überzeugend. Lucia wird überwacht, vom Bett ihres todkranken Großvaters weg verhaftet und wegen 7-fachen Mordes angeklagt und schließlich verurteilt, ohne dass ein einziger zwingender Beweis vorliegt. In der Vorbereitung auf den Berufungsprozess stellt Judith Jansen allerdings fest, dass von Anfang an wichtige Informationen verschleiert wurden und sie beginnt, an der Rechtmäßigkeit ihrer eigenen Beweisführung zu zweifeln.

Der Fall von Lucia de Berk schlug in den Niederlanden Anfang dieses Jahrtausends hohe Wellen. Die Vorverurteilung durch die Medien und die damit verbundene hochemotionale Einflussnahme auf die öffentliche Meinung (und umgekehrt) blieb von Beginn an weit von allen Fakten, Beweisen und Klarheiten entfernt. Durch eine fiktive Verdichtung der Ereignisse und die Verknüpfung des Prozesses mit wirtschaftlichen Interessen der damaligen Klinikleitung gelingt der Regisseurin Paula Van der Oest ein spannender Justizthriller, der von der ersten bis zur letzten Minute spannend bleibt – selbst wenn man den Ausgang des realen Prozesses kennt. Die Schauspieler sind alle grandios und beherrschen die notwendige Verhaltenheit und Distanziertheit, hinter deren Fassade die eigenen Gefühle kochen, virtuos. Die kleinen Gesten, das Minenspiel und die knappen, pointierten Dialoge werfen immer mehr Fragen zur eigenen Wahrnehmung auf. Die stoische Gefühlsverleugnung der Hauptfigur, hinter der extreme Verzweiflung liegt, wird von Ariane Schluter so glaubwürdig verkörpert, dass die eigene Angst um sie schon nach kurzer Zeit zu spüren ist. Auch die Lichtgestaltung in den karg möblierten Räumen von Klinik, Gefängnis und Gerichtssaal zieht den Zuschauer mehr und mehr in ihren Bann. Sensibel gestaltete Rückblicke auf Lucias Jugenderlebnisse verdeutlichen gerade so viel, wie nötig ist, um Vorurteile und Zweifel in Balance zu halten. Und so ist „Lucia – Engel des Todes?“ gleichzeitig ein Indikator für eigene Gedankenspiele, Vorurteile und Gedanken über Justiz und Recht. Die Gestaltung der Bilder und das Ringen um optische Authentizität werden übrigens im „Making of…“ sehr anschaulich erläutert. Der Film lohnt daraufhin durchaus noch einmal einen zweiten Blick.

Die Blu-ray Daten sind identisch mit den DVD-Daten.

DVD Extras: Making of...

Blu-ray Extras: Making of...

Rotraut Greune