Lingui – Heilige Bande

Länge:
87 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Kinostart:
14.04.2022
Regie:
Mahamat-Saleh Haroun
Darsteller:
Achouackh Abakar (Amina), Rihane Khalil Alio (Maria), Youssouf Djaoro, Briya Gomdigue, Hadje Fatime N'Goua u. a.
Genre:
Drama , Politischer Film
Land:
Frankreich, Deutschland, Belgien, Tschad, 2021

Stimmt es, dass Familiengeschichten sich wiederholen? Dass das zum Glück nicht die Regel sein muss, zeigt Filmemacher Mahamat-Saleh Haroun in seinem neuen Film auf hoffnungsvolle Weise. In „Lingui“ treffen wir im Tschad auf Amina, deren Tochter Maria, ebenso wie sie damals, unverheiratet schwanger wird.


Worum es in „Lingui“ geht:


Amina ist eine alleinerziehende gläubige Muslima, die mit ihrer Tochter Maria in einem Vorort von N'Djamena, Tschads Hauptstadt, in Zentralafrika lebt. Weil Amina Maria unehelich zur Welt brachte, wurde sie vom Vater verstoßen und ihrer Schwester der weitere Kontakt mit ihr untersagt. Um sich und ihre Tochter durchzubringen, fertigt sie aus Drähten, die mühsam aus alten LKW-Reifen herausgerissen werden müssen, Kohlegrills an und verkauft sie für wenig Geld auf der Straße. Dass der reiche Nachbar ihr gegenüber Interesse bekundet hat, ändert nichts daran. Amina möchte ihre Unabhängigkeit auf jeden Fall bewahren. Nun ist Maria 15 Jahre alt – und durch eine Vergewaltigung schwanger geworden. Sie will abtreiben, doch das ist sowohl im Islam als auch im Tschad verboten und wird streng bestraft. Vom Imam, von der Schule und auch von Nachbar*innen ist keine Unterstützung zu erwarten. Alle Zeichen stehen darauf, dass die Familiengeschichte sich wiederholt. Doch dieses Mal solidarisieren sich die Frauen und versuchen, eine andere Lösung zu finden.


Was diesen Film besonders macht:


Regisseur Haroun erzählt die Geschichte von Amina und Maria visuell beeindruckend in ruhigen Bildern. Seine Sympathie gilt ganz den Frauen, die Männer hingegen hinterlassen in „Lingui“ keinen guten Eindruck. Akribisch genau und nahezu dokumentarisch wird auch Aminas schwere Arbeit gezeigt, die in Handarbeit die Stützdrähte aus den Reifen herausholt und vom Gummi befreit. Zugleich gewährt der Film Einblicke in Lebenswelten im Tschad, aber vor allem von Frauen, die überall auf der Welt religiös und/ oder staatlich begründet Gewalt, Zwängen und Gefahren ausgesetzt sind und so an der Ausübung eines selbstbestimmten Lebens gehindert werden. Nicht alle Details in diesem Film erschließen sich auf Anhieb, im Gegenteil: Sie werden bewusst im Unklaren gelassen oder fordern sogar zum Widerspruch heraus. Das ist auch gut so, denn eine Geschichte erzählen, in der sich Konflikte (zu) einfach auflösen, wollte Haroun ganz gewiss nicht.

Holger Twele

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