Leanders letzte Reise

Prädikat besonders wertvoll
Länge:
103 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 6 Jahren
Regie:
Nick Baker-Monteys
Darsteller:
Jürgen Prochnow (Eduard Leander), Petra Schmidt-Schaller (Adele), Tambet Tuisk (Lew), Suzanne von Borsody (Uli)
Genre:
Drama , Familienfilm , Politischer Film
Land:
Deutschland, 2017

Als seine Frau vor dem Fernseher friedlich entschläft, beschließt Eduard Leander, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten. Er packt einen Koffer, schreibt einen kurzen Zettel für Tochter Uli und steigt in den Zug nach Kiew, wo er während des Zweiten Weltkriegs als Soldat der Wehrmacht stationiert war. Als Uli den Zettel entdeckt, schickt sie ihre Tochter Adele zum Bahnhof, um Eduard von der Reise abzuhalten. Aber Leander ist nicht bereit, die Reise abzubrechen. Mehr oder weniger unfreiwillig ist Adele plötzlich seine Reisebegleiterin und mit jedem Kilometer wächst ihr Wunsch, zu erfahren, was damals eigentlich geschah. Der russischstämmige Ukrainer Lew, den sie im Zug kennenlernen, hilft ihnen, Leanders Ziel zu erreichen. Doch dabei landen Großvater und Enkelin mitten in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen der Ostukraine.

Interessiert es die junge Generation eigentlich noch so richtig, was Großväter oder Urgroßväter als Soldaten im Zweiten Weltkrieg getan oder erlebt haben? Adele jedenfalls hat nie nachgefragt und Eduard hat auch nie erzählt. Kein Wunder, dass sich Enkelin und Großvater auf dieser Reise erst einmal nicht viel zu sagen haben. Adele arbeitet in einer Bar, fragt sich gelegentlich, warum ihre Familie so kaputt und gefühlskalt ist und kann dieses familiäre Erbe ganz offensichtlich selbst auch nicht verleugnen. Der Ukrainer Lew mit den russischen Wurzeln, der inzwischen in Berlin lebt und auf dem Weg zum Geburtstag seines Vaters ist, kommt familiär und emotional aus einer anderen Welt. Sein Großvater hat den Krieg miterlebt, sein Vater war als Soldat der Roten Armee in der DDR stationiert und sein Bruder hat sich jetzt als ukrainischer Russe auf die Seite der russischen Separatisten gestellt. Er selbst würde sich gern aus politischen und vor allem militärischen Konflikten heraushalten, aber das erweist sich familiär wie gesellschaftlich zunehmend als schwierig. Während Leander den verwischten Spuren seiner Vergangenheit folgt, erlebt Adele, die Lew immer näher kommt, eine bedrückend bedrohliche Stimmung im Hier und Jetzt.

In „Leanders letzte Reise“ geht es nicht um geschichtliche Aufklärung, sondern um familiäre Folgen der Vergangenheit. Regisseur Nick Baker-Monteys (Der Mann der über Autos sprang) hat sich auf eine schwierige Gratwanderung eingelassen und diese überwiegend bravourös geschafft. Seine bis in die kleinsten Nebenrollen großartig besetzte Zielsetzung lässt er dabei bis zum Ende in der Schwebe. Das macht den Film ganz ohne Action spannend. Jürgen Prochnow, Petra Schmidt-Schaller und dem estnische Darsteller Tambet Tuisk gelingt es zudem mit ihrem herausragenden Spiel, die individuellen Traumata ihrer Figuren durch kleine, feine Nuancen zwischen den Bildern sichtbar zu machen. Das wachsende gegenseitige Verständnis für persönliche Entwicklungen damals wie heute überträgt sich auch auf den Zuschauer. Die verhaltene emotionale Inszenierung erlaubt Identifikation und Abstand gleichermaßen, wobei persönliche Gedanken zu Vergangenheit, Gegenwart und zukünftigen Möglichkeiten entstehen.

DVD Extras: Featurette mit Informationen zu den Dreharbeiten und den zeitgleichen Entwicklungen in der Ukraine

Rotraut Greune

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Sprachen: Deutsch, Dt. f. Sehg.

Untertitel: Dt. f. Hörg.

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (13. Woche 2018).