Katakomben

Serienstart:
11.03.2021
Staffel:
1
Folgen:
6
Länge der Folgen:
44-45 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Regie:
Jakob M. Erwa
Darsteller:
Lilly Charlotte Dreesen (Nellie Mahler), Janosch Seiler (Yasin Boynuince), Mercedes Müller (Tyler), Sabine Timoteo (Magdalena Kaltbrunner), Marleen Lohse (Lisa Limberger) u. a.
Genre:
Drama , Krimi , Jugend
Land:
Deutschland, 2021

Das Sozialsystem in Deutschland funktioniert, bietet auch den Schwächsten Schutz und Hilfe – so ist es immer wieder, nicht zuletzt während der anhaltenden Corona-Krise, zu hören. Grundsätzlich können wir froh sein, in einem Staat zu leben, der seine Bürger*innen in schwierigen Lagen unterstützt. Und doch gibt es hierzulande sehr wohl Menschen, die durch alle Raster fallen, wie es in der mit Krimielementen versetzten Dramaserie „Katakomben“ an einer Stelle heißt. Die Eigenproduktion des Streaming-Dienstes Joyn packt mit der stetig weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich ein dringliches Problem an, spielt mit dem Ruf Münchens als Hotspot der Schönen und Reichen und ergänzt das Bild um eine eher weniger bekannte Facette: das unübersichtliche Tunnel- und Lagerraumsystem unterhalb des Hauptbahnhofs, das Obdachlosen und Drogensüchtigen als Unterschlupf dient.


Worum es in der Dramaserie „Katakomben“ geht:


Das Schicksalsereignis der von Florian Kamhuber und Jakob M. Erwa („Die Mitte der Welt“, „HomeSick“) erdachten Serie ist eine illegale Rave-Party im oben beschriebenen Untergrund, zu der wir am Anfang jeder Folge in einem Flashback zurückkehren – wobei wir aus immer neuen Perspektiven auf die Geschehnisse blicken. Die geheime Feier, an der Töchter und Söhne aus privilegierten Verhältnissen teilnehmen, lockt auch die etwas gelangweilte Nellie und einige Personen aus ihrem engsten Umfeld an. Während ihr bester Freund Janosch die in unmittelbarer Nähe hausenden gesellschaftlichen Außenseiter bemerkt, hat Nellie Probleme, auf Betriebstemperatur zu kommen. Zu groß ist der Ärger über ihren Bruder Max, der sich, wie so oft, mit Drogen zuballert. Unter die amüsierhungrige Meute mischt sich auch die Polizistin Magdalena Kaltbrunner, die private Recherchen betreibt. Ein Dorn im Auge ist das Gezappel in der unterirdischen Parallelwelt der jungen Lisa Limberger, da sie für die Firma ihres Vaters ein ambitioniertes Bauprojekt mit sozialer und ökologischer Prägung betreut, das genau hier über der Erde entstehen soll. Ein plötzlicher Brand löst schließlich eine Massenpanik unter den jungen Leuten aus, die mit 33 Verletzten und drei Vermissten – verschwunden sind Max, seine Freundin und ein Kumpel – endet.

Nach der Katastrophe macht sich Nellie zusammen mit Janosch auf die Suche nach ihrem Bruder und stößt dabei auf die in den Katakomben lebende Tyler, deren Wissen hilfreich sein könnte. Nellies Mutter Anna, die Baurätin der Stadt, setzt unterdessen trotz der Sorge um ihren Sohn alles daran, die Tragödie für ihre Zwecke zu nutzen. Parallel steckt Magdalena widerrechtlich ihre Nase in die Ermittlungen zum Hergang des Unglücks. Und noch dazu kämpft Lisa um ihr idealistisches Vorhaben, das von den Schlagzeilen verschlungen zu werden droht.


Kann „Katakomben“ überzeugen?


„Katakomben“ zeigt München als eine Stadt der Gegensätze und lässt das Milieu der Reichen mit voller Wucht auf die aus dem Sichtfeld verdrängten Mittellosen und Gestrauchelten prallen. In der Zeichnung beider Welten versuchen die Serienschöpfer Kamhuber und Erwa, platte Beschreibungen zu umschiffen. Ab und an fallen sie aber auch in altbekannte Muster zurück. Über Tyler, die sich aufopferungsvoll um eine kranke Frau und deren kleinen Sohn kümmert, erhalten wir Einblick in den Alltag im Untergrund. Nach Sichtung aller sechs Folgen wird man jedoch das Gefühl nicht los, dass man dieses verborgene, von kaputten Figuren bevölkerte Universum noch genauer hätte erkunden können. Manches – zum Beispiel eine ominöse Vereinigung namens „Schwarzer Engel“ – bleibt ernüchternd diffus. An der Oberfläche kratzt die Joyn-Produktion mitunter auch auf der anderen Seite. Nelli etwa verharrt in der stereotypen, blassen Rolle einer Wohlstandstochter, die vergeblich um die Anerkennung ihrer beruflich ständig beschäftigen Mutter buhlt.

Auch wenn die Serie die sozialkritischen Aspekte des Stoffes nicht konsequent genug herausarbeitet, liefert sie durch kleine pointierte Details und Bemerkungen Stoff zum Nachdenken. Bestürzend ist zum Beispiel der beiläufige Hinweis des jungen Staatsanwaltes Dominik Liebknecht, dass er nach dem Unglück klare Anweisungen habe, was zu tun sei. Die nach dem Feuer entdeckte Leiche eines Junkies steht bezeichnenderweise auf der Prioritätenliste an letzter Stelle. Unter den persönlichen Geschichten der zentralen Figuren sticht nicht nur Magdalenas Kampf hervor, der vor allem von Sabine Timoteos eindringlicher Performance lebt. Eine überraschend bewegende Entwicklung nimmt auch Janoschs Strang. Wird er als Klischee eines krampfhaft gutgelaunten, auf Aussehen und Wirkung bedachten Influencers eingeführt, ergründet Janosch nach einer Offenbarung plötzlich seine Identität: Wer bin ich wirklich? Und was hat mir die ganze Zeit gefehlt? Diese Fragen beschäftigen ihn immer mehr und führen zu emotionalen Gesprächen mit seinem Adoptivvater.

Erzählerisch geht die erfrischend divers aufgestellte Serie manchmal zu einfache, bequeme Wege. Des Öfteren greifen die Drehbücher etwa auf das Zufallsprinzip zurück, um die Handlung voranzutreiben. Atmosphärisch liefert Erwa, der alle sechs Folgen inszeniert hat, dagegen durchweg saubere Arbeit ab. Schon der Einstieg erzeugt eine gespenstisch-ungemütliche Stimmung, die auch später wiederholt heraufbeschwört wird. „Katakomben“ ist ein Paradebeispiel für eine Story mit einer spannenden Prämisse, einigen starken Passagen und interessanten thematischen Anstößen, die ihr Potenzial aber nie in vollem Umfang ausschöpft. Mit etwas mehr Finetuning wäre hier sicher noch mehr drin gewesen!

Christopher Diekhaus

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (10. Woche 2021).