Joy

Länge:
99 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Regie:
Sudabeh Mortezai
Darsteller:
Anwulika Alphonsus (Joy), Mariam Sanusi (Precious), Angela Ekeleme (Madame), Gift Igweh, Sandra John
Genre:
Drama
Land:
Österreich, 2018

Sudabeh Mortezai setzt sich in ihren Filmen mit Themen auseinander, die andere lieber ausklammern: zu schwierig, zu unangenehm, zu hart, nicht zu ertragen. Mit Themen, die nicht zuletzt auch eine politische Sprengkraft haben. So erkundet Mortezai in ihrer Doku „Im Bazar der Geschlechter“ das Konzept der Zeitehe im Iran oder erzählt in ihrem ersten Spielfilm „Macondo“ von den Zuständen in einer österreichischen Flüchtlingssiedlung. „Joy“ wiederum beschäftigt sich mit illegaler Prostitution und nimmt uns mit in den Alltag einer nigerianischen Sexarbeiterin.


Was euch im Film „Joy“ erwartet:


Ihr Blick ist mürbe und wenn darin mal ein vitales Leuchten war, so scheint das lange her zu sein. Joys Augen haben viel gesehen, sind abgestumpft. Genau wie ihr Körper, den sie verkauft, um sich freizukaufen. Man kann es nicht beschönigen: Die fantastisch von Anwulika Alphonsus verkörpterte Joy ist Sklavin. Um nach Europa zu kommen, hat sie einen dubiosen Handel abgeschlossen und lebt nun unter der Fuchtel einer ,Madame‘ – so nennt sich die hartherzige Zuhälterin, die über eine kleine Gruppe junger Frauen aus Nigeria wacht – in Wien.

Direkt zu Anfang des Films finden wir uns in einem für Voodoo-Unkundige verstörenden Ritual wieder: Ein Schamane tötet ein Huhn und besprenkelt mit dem Blut einen Haufen Gegenstände. Er lässt die junge Frau Precious das Blut trinken und fordert Haare, Finger- und Zehennägel von ihr als Pfand ein, die er in einem Säckchen versiegelt. Mit diesem Voodoo-Ritual, genannt „Juju“, gehen zahllose Frauen einen Pakt ein: Ihnen wird die illegale Überfahrt nach Europa bezahlt, dafür werden sie dann vor Ort als Prostituierte ausgebeutet, ihr Pass von ihren Zuhälter*innen beschlagnahmt. Brechen sie diesen Vertrag bedeutet dies die Hölle auf Erden für sie und ihre Familien – so der Glaube. Joy hat das Geld bei der ,Madame‘ schon fast abbezahlt, als die junge Precious (Precious Mariam Sanusi) zur Gruppe dazustößt. Auch ihre Familie in Nigeria ist auf das Geld angewiesen und die ,Madame‘ pocht unbarmherzig auf die Begleichung der Schulden. Doch Precious droht unter dem Druck und der Härte des „Geschäfts mit dem Sex“ zusammenzubrechen.


Warum „Joy“ eine sehenswerte Zumutung ist:


Nüchtern, authentisch und darum auch verdammt krass. „Joy“ ist niemals explizit, was diesen Film allerdings kein Stück erträglicher macht. Schließlich wissen wir ganz genau, was da gerade passiert, können es uns vorstellen. Nicht weniger schmerzvoll als die Bilder im Kopf ist im Übrigen das, was wir stattdessen zu sehen bekommen. So stehen beispielsweise in der Szene, in der Precious, die sich anfangs verweigert, von zwei Handlangern der Madame vergewaltigt wird, Joy und andere Prostituierte schweigend im Nebenraum. Die Kamera schwenkt über die Gesichter der anwesenden Frauen, die teilnahmslos und resigniert wirken.

In  „Joy“ erleben wir traumatisierte Frauen, die als illegale Sexarbeiterinnen keinerlei Schwäche zulassen dürfen, niemandem vertrauen können. Zwar pflegen die Prostituierten unter sich einen beinahe familiären Umgang, dieser wird allerdings überschattet von einer omnipräsenten Rivalität. Am Ende geht es nur ums Geldverdienen. Darum, wer die meiste Kundschaft bekommt, wer sich schneller aus der perfiden Erpressung freikaufen kann. Sudabeh Mortezais zeigt klar und deutlich eine Spirale der Ausweglosigkeit auf, indem das Leben der Betroffenen zum akzeptierten ,Schicksal‘ und schlimmer noch zur Gewohnheit wird oder werden muss. Ihr Film ist eine Zumutung (im positiven Sinne) sowie eine Frontalattacke auf die europäischer Politik, die solche Missstände zulässt.

Nathanael Brohammer

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (21. Woche 2019).