Jonathan

Länge:
100 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
23.05.2019
Regie:
Bill Oliver
Darsteller:
Ansel Elgort (Jonathan/John), Suki Waterhouse (Elena), Patricia Clarkson (Dr. Nariman), Matt Bomer (Ross Craine), Shunori Ramanathan (Allison)
Genre:
Drama , Science-Fiction
Land:
USA, 2018

Ihre Geschwisterbeziehung ist alles andere als gewöhnlich: Denn Jonathan und John teilen sich einen Körper und können ihn dank eines hinter dem Ohr sitzenden Time-Splitters jeweils zwölf Stunden am Tag kontrollieren. Ist einer der beiden aktiv, ruht das Bewusstsein des anderen. Am Ende ihrer jeweiligen „Schichten“ nehmen die Brüder jedes Mal ein Video auf, in dem sie alles Erlebte zusammenfassen. Mithilfe dieser Methode und einiger strenger Regeln – so sind beispielsweise enge Bindungen untersagt – stellen sie sicher, dass ihre besonderen Lebensumstände geheim bleiben. Während der in sich gekehrte Jonathan, der halbtags in einem Architekturbüro arbeitet, die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen penibel beherzigt, sehnt sich der impulsivere John nach etwas mehr Freiheit. Als er die junge Bardame Elena kennenlernt und sich in sie verliebt, kommt es nach und nach zu handfesten Spannungen zwischen den Geschwistern. Beunruhigt verfolgt die eingeweihte Ärztin Dr. Nariman den anschwellenden Konflikt.

Bill Olivers Langfilmdebüt erstrahlt in kühlen, sterilen Weißtönen, die nicht nur für einen zarten Science-Fiction-Anstrich sorgen, sondern auch die Monotonie und die Beklemmung der Situation betonen. Jonathan und John haben sich mit ihrer Verfassung arrangiert, pflegen ein inniges, vertrauensvolles Verhältnis, stehen allerdings zugleich in einer bedrückenden Abhängigkeit, die größere persönliche Entwicklungen im Keim erstickt. Jede Handlung des einen hat Einfluss auf den Alltag des anderen. Und jeder nur ein bisschen tiefergehende Kontakt zur Umwelt birgt die Gefahr einer Offenbarung. Das individuelle Streben nach Glück und die Sehnsucht nach menschlicher Nähe haben hier keinen Platz, was irgendwann zwangsläufig zu einer Konfrontation führen muss. Statt eines wendungsreich-eskalierenden Psychothrillers, den die Prämisse sicher hergegeben hätte, entfaltet Oliver ein stilles, melancholisches Charakterdrama, das den Zuschauer fast ausschließlich durch die Augen des Titelhelden blicken lässt. Seinen Bruder John lernen wir lediglich über die regelmäßigen Videos kennen, die ein Gefühl für sein doch stark anders ausgeprägtes Temperament vermitteln. Manche Erzählschritte – etwa die Einbindung der fürsorglichen Dr. Nariman – sind zweifelsohne ausbaufähig. Insgesamt geht von dem klug über Identität und Selbstbestimmung nachdenkenden Film aber eine seltsame Faszination aus. Wer sich auf das gemächliche Tempo der Geschichte einlassen kann, wird in jedem Fall mit einigen spannenden Denkanstößen und ergreifenden Momenten belohnt.

Christopher Diekhaus

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