In This Corner of the World

Ein Mann wolle um ihre Hand anhalten, erfährt die gerade einmal 19 Jahre alte Suzu eher nebenbei beim Abendessen. Und tatsächlich heiratet sie wenig später jenen Mann, den sie bislang noch überhaupt nicht kannte. Er könnte ja nett sein. Von Hiroshima zieht sie zu seiner Familie in die wenige Kilometer entfernte Stadt Kure und muss dort allerlei Spott ihrer neuen Familie über sich ergehen lassen. Ohnehin ist das Leben hart. Weil der Zweite Weltkrieg auch Japan fest im Griff hat, werden Nahrungsmittel zunehmend rationiert. Doch Suzu ist einfallsreich, weiß sich immer zu helfen und bewahrt sich ihre Zuversicht, was auch kommen mag.

Die Einblendungen der Jahreszahlen und Daten helfen nicht nur bei der Orientierung, sie erinnern auch an einen Countdown. 1935 beginnt die Geschichte von Suzu, die mit ihrer Familie in Hiroshima lebt. In Windeseile springt der Film danach bis in die frühen 1940er-Jahre. Je näher der August 1945 rückt, desto bedrohlicher wird die Lage. Am 6. August 1945 wird dort die erste Atombombe abgeworfen. Und manchmal erstickt das Wissen, was passieren wird, die Handlung von „In this Corner of the World“ ein wenig. Dabei sind es die stillen Beobachtungen und die ruhigen Szenen, die diesen wunderschön gezeichneten Anime über seine Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden prägen. Die vielen Zeitsprünge wirken gar nicht so hektisch, weil Suzu so eine große Ruhe ausstrahlt und weil sie so in sich gekehrt ist. Suzu gilt als Träumerin. Sie traut sich nicht viel zu, hält sich nicht für besonders, sondern versucht einfach, das Beste aus ihrem Leben zu machen. In den schönsten Szenen des Films fängt der Regisseur Sunao Katabuchi, der vor ein paar Jahren mit seinem Anime „Das Mädchen mit dem Zauberhaar“ ein wenig in die Spuren von Hayao Miyazaki getreten ist, dies ein, wenn er Suzus abwesenden Blick auf kleine Details zeigt oder sie aber in gemalte Traumwelten treten lässt. Diese Figur, die so ganz anders ist als übliche Filmheldinnen, trägt den auf einer Manga-Vorlage von Fumiyo Kono beruhenden Film und prägt seine Atmosphäre. „In this Corner of the World“ hat es nicht darauf abgesehen, Mitleid zu wecken oder gar zu schockieren. Eher nüchtern schildert er, wie schwierig das Leben zu Kriegszeiten war – und feiert jene, die sich ungeachtet davon nicht unterkriegen ließen und sich vor allem eines bewahrt haben: ihre Menschlichkeit und ihr Mitgefühl.

Stefan Stiletto