Hatching

Länge:
90 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Kinostart:
28.07.2022
Regie:
Hanna Bergholm
Darsteller:
Siiri Solalinna (Tinja), Sophia Heikkilä (Mutter), Jani Volanen (Vater), Reino Nordin (Tero), Ida Määttänen (Reetta) u. a.
Genre:
Horror , Drama
Land:
Finnland, Schweden, 2022

Die Pubertät kann ganz schön unheimlich sein. Der eigene Körper verändert sich. Die Gefühle spielen eventuell verrückt. Immer häufiger drängen sich große Fragen auf: „Wer bin ich?“ und „Wo ist mein Platz in der Welt?“ Das Unbehagen, das einen manchmal überfällt, greifen Drehbuchautor*innen und Filmemacher*innen nicht nur in Jugenddramen auf. Auch Horrorarbeiten beschäftigen sich regelmäßig mit den Ängsten und Sorgen in dieser besonderen Zeit. Ein Beispiel dafür ist Hanna Bergholms Regiedebüt „Hatching“, das beim Sundance Film Festival 2022 seine Weltpremiere feierte.


Darum geht es im Film „Hatching“:


Das Leben der 12-jährigen Tinja könnte glatt aus einem Werbekatalog stammen: Mit ihrer Familie wohnt sie in einem hellen, großen Haus irgendwo in einer ruhigen finnischen Vorstadtgegend. Alles wirkt perfekt. Doch der Schein trügt, wie sich zeigt, als die von ihrer Mutter zu Höchstleistungen angespornte Turnerin nachts im Wald ein seltsames Ei findet, das sie in ihrem Zimmer versteckt. Nach und nach wird es immer größer. Und irgendwann platzt unter der Schale eine merkwürdige, vogelartige Kreatur hervor, die fortan Tinjas Nähe sucht und ihr helfen möchte – notfalls mit drastischen Mitteln. Ausgerechnet jetzt steht ein sportlicher Wettkampf an, für den die Trainerin des Mädchens bloß einen Platz zu vergeben hat. Dumm nur, dass Tinjas neue Nachbarin Reetta ein echtes Naturtalent ist …


Ob „Hatching“ ein Horror-Highlight ist?


Ein Monster, das im Verlauf der Handlung seine Gestalt verändern wird, und blutige Übergriffe im Umfeld der Protagonistin – „Hatching“ arbeitet mit handfesten Horrormotiven, wobei die Gewaltausbrüche meistens außerhalb des Bildes stattfinden. Gruseliger als die offensichtlichen Schockeinlagen ist ohnehin das Heile-Welt-Bild, das Tinjas Mutter an die Wand malt. Als professionelle Bloggerin will sie, so behauptet sie, den Alltag einer ganz „normalen“ finnischen Familie festhalten. Tatsächlich ist alles, was vor ihrer Kamera passiert, aber eine aggressiv auf Perfektion getrimmte Inszenierung. Das Lächeln auf den Gesichtern wirkt falsch. Und das pastellfarbene Haus strahlt keine echte Wärme aus. Wie es wirklich um das Zusammenleben steht, begreift man sehr schnell: Tinja möchte ihre anspruchsvolle Mutter nicht enttäuschen, steht unter enormem Erfolgsdruck. Ihre angeblich so glückliche Mum hat eine Affäre. Ihr Vater ist teilnahmslos, nimmt auch die Untreue seiner Frau achselzuckend hin. Und Mathias neidet seiner Schwester Tinja die ihr zufliegende Aufmerksamkeit – weshalb er ihr, wann immer möglich, eins auszuwischen versucht. Inmitten dieser alles andere als entspannten häuslichen Situation ist das plötzlich aus dem Ei springende Geschöpf für die 12-Jährige eine Art Ventil. Zwischen beiden gibt es eine emotionale Verbindung. Besser gesagt – so viel sei verraten – verkörpert das Wesen die Ängste und die unterdrückten Gefühle der jungen Turnerin, die sich nun unaufhaltsam ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Debütregisseurin Hanna Bergholm baut von den ersten Minuten an eine ungemütliche Stimmung auf und scheut nicht vor ernsten Themen zurück. Einige Szenen deuten etwa an, dass Tinja unter einer Essstörung leidet. Wohl vor allem deshalb, weil ihre Mutter ihren Körper oft bewertet und kommentiert.

„Hatching“ macht das Empfinden der Hauptfigur greifbar und spielt recht souverän mit den Versatzstücken des Horrorgenres. Nüchtern betrachtet ist der Film aber auch nicht der Knaller, zu dem ihn manche Kritiker*innen nach seiner Uraufführung hochjubelten. Dafür bricht die finnisch-schwedische Koproduktion zu selten aus dem üblichen Rahmen des Coming-of-Age-Horrors aus und versäumt es manchmal, spannende Aspekte, besonders die Widersprüche im Charakterporträt der Mutter, konsequent zu verfolgen. Wer Abwechslung zum in den Kinos dominanten US-Grusel sucht, sollte dennoch einen Blick wagen!

Christopher Diekhaus