Gringo

Eigentlich sieht Harolds Leben ganz gut aus: ein aussichtsreicher Job im mittleren Management, eine stabile Ehe mit einer tollen Frau und sein Chef Richard ist zugleich sein bester Freund und daher auch voll auf seiner Seite. Wäre da nur nicht dieser Rat eines Bekannten, der ihn plötzlich stutzig macht. Denn während Richard ihm heile Welt vorspielt, hat er bereits Vorbereitungen getroffen, um gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Elaine die Firma zu verkaufen – wodurch Harold mit ziemlicher Sicherheit seinen Job verlieren wird. Die Befürchtung scheint sich zu bewahrheiten, als die beiden plötzlich zu einem Termin in der mexikanischen Niederlassung mitkommen und die wichtigen Gespräche ohne ihren sonstigen Vermittler Harold führen. Als sich dann noch Harolds Frau über Skype von ihm trennt, reicht es ihm und er beschließt zu handeln: indem er kurzerhand seine eigene Entführung vortäuscht, während sich seine Bosse schon auf dem Rückflug befinden. Ein mutiger Schritt und mit Sicherheit nicht doof. Hätte Richard da nicht noch seinen Geheimagenten-Bruder, den er viel lieber mit Harolds Befreiung beauftragt, als das Lösegeld zu zahlen. Und wäre da nicht noch das Kartell, das sowieso schon nicht ganz einverstanden ist, wenn nun wegen des geplanten Verkaufs wichtige Lieferungen unter der Hand ausbleiben. Immerhin stellt die Firma medizinisches Marihuana in Tablettenform her und beschert damit ein lukratives Zusatzgeschäft. Und da Richard offensichtlich der einzige ist, der Zugang zum Tresor mit dem Rezept hinter all dem hat, wird aus der vorgetäuschten Entführung schon bald eine echte.

Im Grunde ist Harolds Geschichte in „Gringo“ altbekannt und schnell erzählt: Ein naiver Loser wird von allen Seiten schamlos ausgenutzt, bis sich das Blatt auf wundersame und ebenso chaotische Weise wendet. Nur wird der erzählerische Faden hier ziemlich geschickt um diese Wendung herum gesponnen und verläuft dabei über so manchen unerwarteten Eckpfeiler. Wie die Geschichte am Ende ausgeht, bleibt natürlich ein Geheimnis. Doch bis es überhaupt erst dazu kommt, präsentiert sich uns hier eine amüsante Analyse karrieretechnischer Höhen- und moralischer Tiefflüge – und überhaupt die Frage, ob es sich noch lohnt, zu den Guten zu gehören. Das Ganze mit charismatischen SchauspielerInnen wie Charlize Theron (Atomic Blonde, Snow White & the Huntsman) und Joel Edgerton (Der große Gatsby, Black Mass), die hier auf wunderbare Weise Antipathien erzeugen, während wir ganz mit David Oyelowo (Selma, A Most Violent Year) in der Rolle des armen Harolds mitfiebern. Aber wie sagt man so schön: Aus jedem Harold kann ein Harry werden.

Alles in allem ist „Gringo“ eine sympathische Komödie mit unterhaltsamen Action-Einlagen. Ideal für einen unaufgeregten lockeren Filmabend allein oder mit Freunden.

DVD Extras: Interviews, Featurettes, B-Roll, Trailer, Bildergalerie

Blu-ray Extras: Interviews, Featurettes, B-Roll, Trailer, Bildergalerie

Marius Hanke