Gipsy Queen

Länge:
117 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
25.06.2020
Regie:
Hüseyin Tabak
Darsteller:
Alina Șerban (Ali), Tobias Moretti (Tanne), Irina Kurbanova (Mary), Aleksandar Jovanovic (Udo), Sarah Ulda Carcamo Vallejos (Esmeralda), Aslan Yılmaz Tabak (Mateo)
Genre:
Drama
Land:
Deutschland, 2018

Ali stammt aus Rumänien und einer Roma-Familie. Als die junge Mutter erneut schwanger wird ohne verheiratet zu sein, wird sie von ihrem stolzen Vater verstoßen. Obwohl der sie von Herzen liebt, hat er für seine Roma-Prinzessin eine andere Laufbahn vorgesehen. Ihr sollte als Boxerin der soziale Aufstieg gelingen. Ali strandet mit ihren beiden Kindern Esmeralda und Mateo in Hamburg. In Mary, die von einer Karriere als Tänzerin träumt, findet sie eine Verbündete im Kampf ums Überleben und der ist wirklich hart. Als alleinerziehende Romni ist Ali vielen Vorurteilen ausgesetzt. Aber Ali ist eine Kämpferin. Sie nimmt jeden noch so harten Job an, damit ihre Kinder eine Zukunft in dem neuen Land haben. Schließlich landet sie in der legendären Kiezkneipe „Zur Ritze“. Hier wird im Keller geboxt. Es dauert nicht lange bis der abgehalfterte Wirt und Boxtrainer Tanne Alis Leidenschaft für den Boxsport entdeckt. In Rumänien war sie Juniormeisterin. Aber Tanne hat ein massives Alkoholproblem und Ali lange nicht trainiert. Dann spitzen sich auch die Auseinandersetzungen mit ihrer Tochter Esmeralda zu, die ihren eigenen Kopf hat und für deren Probleme in Alis anstrengendem Alltag wenig Platz ist. Als auch der Box-Promoter Udo auf Alis Talent aufmerksam wird, könnte der Aufstieg in den Sporthimmel gelingen. Aber immer wieder muss Ali Tiefschläge einstecken, vor allem als das Jugendamt ihre Aufsichtspflicht verletzt sieht.

Regisseur und Drehbuchautor Hüseyin Tabak ist mit seinem Boxerfilm der anderen Art ein starkes Stück Kino gelungen. Der Film wird ganz von der Neuentdeckung Alina Șerban getragen, deren Ali mit Stolz, Stärke und Verletzlichkeit um ihre Würde und ein besseres Leben kämpft. Ergänzt wird ihr eindringliches Spiel von Tobias Moretti, der mit schnörkelloser Melancholie den verkrachten Kiezkönig gibt. Dabei geht es vielmehr um eine präzise Milieuzeichnung als um den Boxsport, um den schwierigen Alltag der Einwanderer, um Diskriminierung und Ausgrenzung. Aber auch den kleinen Freuden der herzerwärmenden, aber auch konfliktreichen Ersatzfamilie, die Ali in der neuen Freundin Mary gefunden hat, wird Aufmerksamkeit geschenkt. Das Boxen dient auch hier als Sinnbild vom Leben, vom Kampf mit sich selbst, auch wenn der Sport erst im letzten Drittel wirklich Raum bekommt. Beim Boxen geht es ums Einstecken können, ums Durchhalten und wieder Aufstehen. Und das ist, was Ali tut, beharrlich, immer wieder, auch wenn die Schläge in den Magen noch so heftig sind. Das dichte und emotionale Drama liefert eine präzise Milieuzeichnung und große Gefühle in kleinen Alltäglichkeiten, erzählt von tief sitzendem Rassismus in Deutschland, aber auch von Zusammenhalt und Solidarität. Anders als im Boxgenre üblich fightet Ali schließlich den größten Kampf mit der Welt aus, die ihr keine Chance bietet, die sie sich aber schließlich mit großer Zähigkeit erstreitet. Und so liegt der Triumph am Ende nicht im Sieg über die auf Ali einprügelnde Box-Gegnerin, ein wahre Kampfmaschine, sondern im Überwinden von Perspektivlosigkeit durch den Akt der Selbstermächtigung. Aktuell, zwingend, berührend und unbedingt empfehlenswert!

Christiane Radeke