Gänsehaut um Mitternacht

Serienstart:
07.10.2022
Staffel:
1
Folgen:
10
Länge der Folgen:
49-59 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Regie:
Mike Flanagan, Michael Fimognari, Emmanuel Osei-Kuffour Jr. u. a.
Darsteller:
Iman Benson (Ilonka u. a.), Igby Rigney (Kevin u. a.), Ruth Codd (Anya u. a.), Aya Furukawa (Natsuki u. a.), Sauriyan Sapkota (Amesh/Luke) u. a.
Genre:
Horror , Drama , Literaturverfilmung
Land:
USA, 2022

Ernste Themen, sensibel und humorvoll verpackt: Mit „Club der roten Bänder“ erschien 2015 eine ebenso witzige wie bewegende Fernsehserie über schwerkranke junge Menschen und ihren Alltag in der Klinik. Erinnerungen an die drei Staffeln umfassende Geschichte und das anschließende Kinoprequel „Club der roten Bänder – Wie alles begann“ weckt nun die zehnteilige Netflix-Produktion „Gänsehaut um Mitternacht“, die das Ganze um einen Horrordreh erweitert. Basierend auf den Romanarbeiten von Christopher Pike erzählen Mike Flanagan und Leah Fong von einer Gruppe Jugendlicher, die in einem alten Hospiz mit schauerlichen Geschehnissen konfrontiert wird.


Darum geht in „Gänsehaut um Mitternacht“:


Das Leben kann so ungerecht sein! Alles hat sie gegeben, sich an die Spitze ihres Jahrgangs gekämpft, einen Zuschlag für die Eliteuni Stanford erhalten. Und doch scheint ihr Einsatz umsonst, als Ilonka erfährt, dass sie an Schilddrüsenkrebs erkrankt ist. Eine Chemotherapie bringt keine Besserung. Im Gegenteil, schnell ist klar: Die Teenagerin wird sterben. Bei einer Internetrecherche stößt sie auf das extra für Jugendliche ausgelegte Brightcliffe-Hospiz, aus dem angeblich eine Patientin wie durch ein Wunder wieder entlassen werden konnte. Kurzerhand checkt Ilonka in die einsam gelegene Einrichtung ein, die sie bereits in rätselhaften Visionen gesehen hat. In ihrer ersten Nacht beobachtet sie, wie sich einige der todkranken Bewohner*innen heimlich in der Bibliothek treffen und sich dort gegenseitig gruselige Geschichten erzählen. Nur wenig später wird die Neue offiziell in den exklusiven Kreis aufgenommen, den ein besonderer Pakt verbindet: Diejenige Person, die aus der Runde als Erste stirbt, soll den anderen ein Zeichen aus dem Jenseits schicken! Ilonka freundet sich nicht nur mit ihren Schicksalsgefährt*innen an. Parallel erforscht sie auch die Vergangenheit von Brightcliffe.


Warum die erste Staffel vor allem als Drama überzeugt:


Serienschöpfer Mike Flanagan, der in den letzten Jahren wie nur wenige Filmemacher*innen das Horrorgenre beackert hat, bleibt sich und seinem unaufgeregten Erzählansatz treu. Auch „Gänsehaut um Mitternacht“ hetzt nicht von einem Gruselmoment zum nächsten und wirft uns keine eindimensionalen Figuren vor die Füße. Vielmehr bekommen wir ausreichend Gelegenheit, Ilonka und die anderen Teenager*innen samt ihren Sorgen, Ängsten und Sehnsüchten kennenzulernen. Behutsam führt uns die im Jahr 1994 einsetzende Serie an ihr schweres Thema heran und überrascht immer wieder mit unter die Haut gehenden Szenen und Einblicken: Amesh, der bislang alle neu auf den Markt geworfenen Videospielkonsolen ausprobiert hat, ärgert sich zum Beispiel darüber, dass er die Einführung der Playstation und der Nintendo 64 wahrscheinlich nicht mehr erleben wird. Chris hat aufgrund seiner in der Gesellschaft geächteten Aids-Erkrankung, anders als die übrigen Jugendlichen, ständig Diskriminierung erfahren. Und spätestens am Familientag in Folge drei zeigt sich die verletzliche Seite von Ilonkas kratzbürstig-zynischer Zimmergenossin Anya, die, wie gewöhnlich, keinen Besuch bekommt. „Gänsehaut um Mitternacht“ macht den Schmerz der Patient*innen greifbar, zeigt aber auch, dass sie ihrer Situation mit viel Galgenhumor begegnen. „Krebsferienlager“ nennt Ilonka das Hospiz kurz vor ihrer Ankunft. Und mehr als einmal fragen sich die Bewohner*innen laut, was sie eigentlich noch erschrecken soll, wo die meisten doch harte Therapien und Eingriffe hinter sich haben. Was allerdings in den ersten drei gesichteten Episoden auffällt: Während die Serie emotional tiefer bohrt, federt sie die körperlichen Leiden der Protagonist*innen spürbar ab.


Wie viel Horror tatsächlich in der Serie steckt?


Der Gruselfaktor in „Gänsehaut um Mitternacht“ ist sicherlich noch ausbaufähig. Vor allem Ilonkas Nachforschungen und ihre mysteriösen Visionen zeichnen sich durch eher plärrend-vorhersehbare Schockeffekte aus. Spannender sind da die Geschichten, die sich die Teenager*innen um Mitternacht erzählen. Die von ihnen erdachten, mit wahren Elementen angereicherten Storys unterscheiden sich nicht nur thematisch, sondern werden visuell ganz individuell gestaltet. So taucht Ilonka mit ihrem Bericht über eine frühere Patientin von Brightcliffe in die 1960er Jahre ein, was einen Retrolook zur Folge hat. Kevins schauerliche Serienkillermär wiederum ist in eine kränklich-grüne Optik getaucht. Der interessanteste Kniff bei den Schilderungen der Mitternachtsclique besteht jedoch darin, dass viele Schauspieler*innen des Hauptplots plötzlich in anderen Rollen auftauchen. Kevin-Darsteller Igby Rigney etwa verkörpert auch den brutalen Mörder aus Kevins Erzählung. Verbergen sich hinter der sympathischen Fassade des Jungen, zu dem sich Ilonka hingezogen fühlt, womöglich schreckliche Abgründe? Oder was soll uns die Doppelbesetzung sagen? Für Irritationen und Spannung ist dadurch auf jeden Fall gesorgt. Ob es sich bei den Casting-Entscheidungen um einen bösen Scherz der Macher*innen handelt oder ob sie noch größere Bedeutung bekommen, werden die weiteren Episoden verraten.

Christopher Diekhaus

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (40. Woche 2022).