Fanfic

Film: Fanfic
Länge:
95 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Regie:
Marta Karwowska
Darsteller:
Alin Szewczyk (Tosia/Tosiek), Jan Cieciara (Leon), Dobromir Dymecki (Marcin), Wiktoria Kruszczynska (Mathylda), Maja Szopa (Emilia), Anna Krotoska (Lehrerin Jastrzębska)
Genre:
Drama , Love Story , Literaturverfilmung
Land:
Polen, 2023

Worum es in „Fanfic“ geht:


Was tun, wenn man Außenseiter an der Schule ist? Die Antidepressiva seines Vaters klauen, ist eine Lösung, damit sich das Leben mal nicht als zuviel anfühlt und die eigene Wut und Unruhe verschwinden. Noch besser: Geschichten schreiben, darin abtauchen und der Held sein – Starboy, ein Rockstar. Für diese Fanfiction auch noch Anerkennung im Netz zu bekommen tut erst recht gut. Der polnische Netflix-Film „Fanfic“ basiert auf einem Roman von Natalia Osińska und lässt uns ganz nah an dessen Hauptfigur rankommen und in ihre Gefühlswelt eintauchen.

Als sich in der Realität auf der Schultoilette die Wege mit Leon, einem Mitschüler, kreuzen und der Interesse zeigt, ist das irritierend. Was soll das? Leon ist doch schwul?! Auf einer Party kommt es zum Kuss mit ihm – provokativ, nicht ernst gemeint. Doch als Leon nach einem Regenguß seine trockene Kleidung anbietet, fühlt sich auf einmal alles richtig an. In dieser Kleidung ist Tosiek zum ersten Mal er selbst: ein Junge. Die Akzeptanz seines Umfelds bekommt Tosiek jedoch nicht so einfach. Und dann steht da noch die Frage im Raum, ob der schwule Leon ihn wirklich liebt oder doch mit einem Mädchen zusammen sein wollte ...


Lohnt sich „Fanfic“ für dich?


„Fanfic“ ist vieles: Zarte Lovestory, die Suche junger Menschen nach Zugehörigkeit und Verständnis, Selbstfindung eines trans* Jugendlichen. Alin Szewczyk in der Hauptrolle als Tosiek ist so charismatisch wie verletzlich. Auch Jan Cieciara als Leon wächst einem schnell ans Herz, so dass man den beiden gern folgt.

Schade, dass die Geschichte so voll mit Themen ist, dass sie es nicht schafft, ausreichend in die Tiefe zu gehen. Wie Tosiek allein durch das Tragen von „Jungskleidung“ realisiert, wer er ist und im Schnelldurchlauf mal eben ein Outing vor seinem Vater und weiteren Umfeld vollzieht, wirkt etwas märchenhaft und konstruiert. Gründe dafür, warum Tosiek sich und die Welt lange nicht verstehen konnte, werden erst gen Ende des Films kurz angerissen – dabei wäre es interessant gewesen, mehr über die Familie, deren Mutter zu früh gestorben ist, zu erfahren. Auch die titelgebende Fanfiction, mit der Tosiek seine Gefühle auszuleben versucht, solange diese in der Realität nicht möglich sind, bleibt letztlich nur ein Gimmick und verliert im Lauf des Films an Bedeutung. Vielleicht darf man aber auch nicht zu viel erwarten: „Fanfic“ ist eine typische Netflix-Produktion – gefühlvoll, unterhaltsam, aber eben etwas oberflächlich.

Die Stärke des Films liegt definitiv darin, nicht deprimierend, sondern hoffnungsvoll zu erzählen. Tosiek ist stark und mutig, steht selbstverständlich dazu, wer er ist. Dass er dabei selbst Fehler macht und lernen muss, nicht nur seine Sicht der Dinge über alles zu stellen, sondern auch Leon und dessen Ängste zu verstehen, zeigt ihn als komplexe, widersprüchliche Figur. Schön ist auch, wie Vater Marcin stets versucht, sein Kind zu verstehen, und dass er sich offenbar nach dem Tod seiner Frau selbst Hilfe in der Therapie gesucht hat. So tappt der Film nicht in die Falle, nur ein Klischee von einem intoleranten männlichen Erziehungsberechtigten zu zeigen. Ganz selbstverständlich werden hier also stereotype Rollen in Frage gestellt, wird psychische Gesundheit ernst genommen. Das macht „Fanfic“ am Ende sehenswert und zu einem starken Statement, insbesondere für eine Produktion aus einem Land, in dem die aktuelle Regierung traditionelle Rollenbilder propagiert und Diskriminierung gegenüber der LGBTQIA+-Bewegung schürt.

Kirsten Loose

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (20. Woche 2023).