Evolution (2022)

Länge:
97 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
25.08.2022
Regie:
Kornél Mundruczó
Darsteller:
Lili Monori (Éva), Annamária Láng (Léna), Goya Rego (Jonás), Padmé Hamdemir (Yasmin), Jule Böwe (Lehrerin), László Katona, Harald Kolaas, Roland Rába u. a.
Genre:
Episodenfilm , Politischer Film
Land:
Ungarn, Deutschland, 2021

Das erwartet dich in „Evolution“:


Der Film von Kornél Mundruczó und seiner Drehbuchautorin Kata Wéber ist in drei episodische Geschichten unterteilt, die durch die gemeinsame Familiengeschichte aber untrennbar miteinander verwoben sind. Im ersten Teil finden Sanitäter bei der Säuberung einer Gaskammer im Konzentrationslager Auschwitz ein etwa dreijähriges jüdisches Mädchen namens Éva, das auf wundersame Weise überlebt hat. – Lässt sich das Grauen in den Konzentrationslagern überhaupt filmisch darstellen? Zumindest haben es Filmschaffende auf der ganzen Welt immer wieder versucht. Und in diesem Fall ist der Horror sehr eindrücklich. Denn die in einer einzigen Einstellung gedrehte Szene in der Gaskammer könnte tatsächlich aus einem Horrorfilm stammen, wobei über fast 15 Minuten kein einziges Wort zu hören ist. Im zentralen zweiten Teil mit dem Titel Léna steht Évas Tochter im Mittelpunkt. Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg leben beide in Budapest. Léna besucht ihre bereits vom Alter gezeichnete Mutter, um sie nach Geburtsurkunden und Ausweispapieren zu fragen. Denn sie möchte ihren Sohn Jonas, dem der dritte Teil des Films gewidmet ist, in einer jüdischen Berliner Schule anmelden. Doch alle offiziellen Dokumente, die Éva besitzt, sind gefälscht, um ihre jüdische Herkunft zu verbergen. Ihren Enkel Jonas trifft das auf besondere Weise. Er weiß gar nicht mehr, wer oder was er ist, fühlt sich von seiner Mutter überbehütet und von einigen seiner Mitschüler*innen ausgeschlossen und gemobbt. Zugleich verliebt er sich in seine muslimische Mitschülerin Yasmin.


Warum dieser Film wichtig und sehenswert ist:


Um es gleich vorwegzunehmen: Nicht alles in „Evolution“ ist überzeugend umgesetzt. Das gilt vor allem für den dritten und längsten Teil, weshalb der Film im  Vergleich zu beispielsweise „Kaddisch für einen Freund“ von Leo Khasin oder „Masel Tov Cocktail“ von Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch unweigerlich ins Hintertreffen gerät. Dem als Triptychon angelegten Film gelingt es aber, teils auch mit drastischen und unter die Haut gehenden Einstellungen, den Schmerz der Überlebenden des Holocaust deutlich zu machen und aufzuzeigen, dass die erlittenen Traumata und Stigmatisierungen über die Generationen hinweg wirken und bei den Nachkommen bis heute ihre Spuren hinterlassen. Das gilt umso mehr, als die Frage nach Herkunft und Identität für jeden Menschen von großer Bedeutung ist. Besonders deutlich wird das in den Gesprächen zwischen Mutter und Tochter, die bis auf das Ende in einem einzigen 36-minütigen Take mit schwebender Kamera aufgenommen wurden – eine schauspielerische und kameratechnische Spitzenleistung. In diesem langen Streitgespräch beginnt sich die Mutter langsam zu öffnen und erzählt von ihren Erlebnissen als Kind und als Erwachsene, während die Tochter ihren Schmerz zum Ausdruck bringt, als Kind mit einer unnahbaren Mutter konfrontiert gewesen und um einen Teil ihrer Kindheit betrogen worden zu sein. Solche Erfahrungen decken sich mit vielen anderen Filmen zum Thema. Und so irreal es klingen mag: Nach der Befreiung der Konzentrationslager wurden dort tatsächlich noch lebende Babys gefunden. Im zweiten Teil greift die Autorin weitgehend auf die Geschichte ihrer eigenen Mutter in Budapest zurück, die den Holocaust überlebte, während der dritte Teil von den Erfahrungen des Filmemacher-Paares in Berlin und von zunehmendem Antisemitismus geprägt ist.

Holger Twele

Anbieter

FilmverleihPort au Prince Pictures