Endlich Tacheles

Länge:
104 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Kinostart:
14.10.2021
Regie:
Jana Matthes, Andrea Schramm
Darsteller:
/
Genre:
Dokumentation
Land:
Deutschland, Israel, 2020

Worum es in „Endlich Tacheles“ geht:


„Was ich mit dem Judentum verbinde? Eigentlich nur Leid und Tod. Für mich ist dieses Erbe wie ein schwarzer, schwerer Mantel, den jemand anders mir umgehängt hat.“ So beschreibt der 21-jährige Yaar, Sohn einer jüdischen Familie in Berlin, sein Gefühl. Und er möchte diesen schwarzen Mantel am liebsten abstreifen. Seine provokante Idee: Yaar will ein Computerspiel entwickeln. In "Shoah. Als Gott schlief" sollen zwei Figuren gespielt werden: ein jüdisches Mädchen, das sich zur Wehr setzen, und ein SS-Offizier, der Menschlichkeit zeigen kann. Yaars Vater Ilei ist schockiert. Gemeinsam mit seinen Freunden Marcel und Sarah treibt Yaar die Idee weiter voran. Seine Großmutter Rina soll Vorbild für die Hauptfigur des jüdischen Mädchens im Spiel werden. Die Recherche wird immer mehr zur schmerzhaften Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte, allerdings sie bringt Yaar und seinen Vater auch über diese ins Gespräch.


Was „Endlich Tacheles“ sehenswert macht:


Die Vergangenheit hinter sich lassen – für Yaar und seinen deutschen Freund Marcel scheint dies unbedingt nötig. Das geplante Spiel will die Rollenzuschreibungen  „Opfer“ und „Täter*in“ aufbrechen. Aber kann und darf man die Geschichte so auf den Kopf stellen? Geht das nicht zu weit? Yaar wird dies mit seiner Mutter diskutieren und mit seinem Vater. Auch die beiden Filmemacherinnen Jana Matthes und Andrea Schramm, die ihren Protagonisten sonst nur beobachtend folgen, werden an einer Stelle eingreifen und in Frage stellen, was Yaar und seine Freunde vorhaben. So kontrovers diese Diskussion ist, so spürbar wird hier das Gefühl, was die jungen Leute eint: „Es ist 80 Jahre her. Was habe ich noch damit zu tun?“. Mit den Recherchen, die Yaar vornimmt, und den damit verbundenen Reisen zu seiner Großmutter nach Israel sowie nach Krakau wechselt „Endlich Tacheles“ von der Grundsatzdiskussion zur persönlichen Spurensuche. Ausführlich nimmt der Film sich Zeit zu zeigen, was es mit Yaar und seinem Vater Ilei macht, in Krakau mit der Vergangenheit konfrontiert zu sein. Es ist berührend, daran teilhaben zu dürfen, wie Ilei seine Erfahrungen und seinen Schmerz mit seinem Sohn teilt und die beiden sich dadurch näherkommen. Und es wird verstehbar, was es bedeutet, Traumata seiner Eltern weitervererbt zu bekommen. Eindrucksvoll macht der Film klar, dass man sich der Geschichte nicht entziehen kann (oder: darf), aber dennoch ein Anrecht darauf hat, ein Individuum zu sein.

Kirsten Loose

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