Eighth Grade

In einer Klasse gibt es häufig solche und solche. Da sind die einen, die den Ton angeben. Sie wirken selbstbewusst, gutaussehend und cool. Und dann gibt es noch die anderen. Sie werden kaum wahrgenommen, ziehen sich zurück, können ihre innere Unsicherheit nicht überspielen. Zu dieser Sorte gehört die Achtklässlerin Kayla Day. Sie lebt bei ihrem alleinerziehenden Vater, der sich um seine Tochter bemüht, aber nicht weiß, wie er ihr helfen kann. Von ihrem Jahrgang in der Schule als „most quiet“ (besonders still) bezeichnet, fällt Kayla den anderen kaum auf, ist schweigsam und unauffällig. Sie lässt sogar Anzeichen einer sozialen Phobie erkennen, fühlt sich also unter anderen Menschen nicht besonders wohl und vermeidet nach Möglichkeit solche Situationen. Auf der anderen Seite gibt es da aber noch die You-Tube-Kayla, die regelmäßig Vlogs veröffentlicht. Über all das, was sie persönlich beschäftigt, zum Beispiel, wie man mehr Selbstvertrauen gewinnt oder wie man sich am vorteilhaftesten schminkt. Mit ihren Ratschlägen, die den äußeren Rahmen des Films markieren, hat sie allerdings nur wenige Follower. Nicht mal einen Kommentar, ein einziges Feedback, das ihr weiterhelfen könnte. Selbstkritisch reflektiert sie, woran es liegen mag, dass sie nicht in der Lage ist, ihre eigenen Tipps umzusetzen. Trotz mehrerer Enttäuschungen mit vermeintlichen Freundinnen und Bekannten, Treffen mit verschiedenen Jungs und etlichen Missverständnissen, insbesondere in puncto Sexualität, verliert Kayla nie ihre Hoffnung.

Ja, Kayla ist eine Außenseiterin. Und trotzdem oder gerade deshalb ist sie in diesem Film (fast) die einzige, zumindest halbwegs echt und natürlich wirkende Person. Mit ihren tragikomischen und verzweifelten Anstrengungen, das Leben zu meistern, strahlt Elsie Fisher als Kayla jede Menge Warmherzigkeit und Verletzbarkeit aus. Sie spielt ihre Rolle sehr eindringlich und emotional bewegend. Aber da ist noch mehr, was „Eight Grade“ zu einem außergewöhnlichen Drama über das Erwachsenwerden macht. Es bringt nicht nur dazu, die funkelnden (Werbe-)Inhalte von Social Media mit der Realität abzugleichen, sondern kommt dabei auch noch fast so authentisch daher wie ein Dokumentarfilm. Nach seiner deutschen Premiere auf dem Filmfest München 2019 läuft „Eight Grade“ nun auf Netflix. Ihr solltet ihn auf keinen Fall verpassen.

Holger Twele