Drei Tage und ein Leben

Länge:
119 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
03.09.2020
Regie:
Nicolas Boukhrief
Darsteller:
Jeremy Senez / Pablo Pauly (Antoine), Léo Lévy (Rémi), Sandrine Bonnaire (Blanche), Charles Berling (Michel Desmedt), Philippe Torreton (Doktor Dieulafoy), Margot Bancilhon (Emilie) u. a.
Genre:
Thriller , Drama , Literaturverfilmung
Land:
Frankreich, 2018

Es gibt wohl kaum etwas Schrecklicheres, als wenn ein Kind auf einmal spurlos verschwindet. "Drei Tage und ein Leben" erzählt eine dieser Geschichten und zeigt auf eindrückliche Weise, welche Leere ein solcher Vorfall in einer belgischen Dorfgemeinschaft hinterlässt. Und noch viel bedrückender wird der Film nach dem gleichnamigen Roman auch dadurch, dass wir von Anfang an wissen, was wirklich passiert ist.

Denn während sofort das ganze Dorf in heller Aufregung ist und verzweifelt nach dem sechsjährigen Rémi sucht, weiß sein zwölfjähriger Freund Antoine genau, wo er ist. Denn er selbst hat seinen Körper in einer Felsspalte im Wald versteckt, nachdem Rémi tödlich gestürzt ist. Wegen Antoine. Es war ein Versehen, ausgelöst durch einen kurzen Wutanfall Antoines, wie es manchmal bei ihm vorkommt. Nun muss er mit der Schuld leben. Aber er sagt niemandem etwas, während im Dorf schon das Gerede und die Gerüchte losgehen. Und natürlich auch die Schuldzuweisungen. Die Lage spitzt sich immer weiter zu und fast kommt die Wahrheit ans Licht – als plötzlich ein verheerender Sturm das gesamte Dorf niederreißt. Die Wahrheit wird noch tiefer in den Winkeln des Waldes vergraben. Vorerst.

Tatsächlich hält einen „Drei Tage und ein Leben“ bis zur letzten Szene unter Anspannung, obwohl gar nicht so viel passiert. Und es wird erst im Nachhinein wirklich spürbar, wie gut diese Story konstruiert ist – was wohl nicht zuletzt an der gekonnten literarischen Vorlage und dem Drehbuch des mehrfach ausgezeichneten französischen Schriftstellers Pierre Lemaitre liegt. In einer ausgeklügelten Inszenierung erzählt der Film letztendlich die Geschichte von einer Art Trauma, das Antoine ein Leben lang verfolgt. Er versucht das alles hinter sich zu lassen – doch die Vergangenheit kommt immer wieder zurück und stellt ihn vor neue Herausforderungen. Das ist beklemmend nicht nur für ihn, sondern auch für uns als Zuschauer:innen. Denn auf der einen Seite ist es schrecklich, was diesem Jungen passiert ist. Auf der anderen Seite ist es auch schwer, wirklich auf seiner Seite zu sein und ihn als vollkommen unschuldig zu betrachten. Am Anfang vielleicht noch eher – doch mit jeder neuen Wendung wird es komplizierter.

Man muss die durchgängig tief bedrückende Stimmung von „Drei Tage und ein Leben“ aushalten können. Aber dann ist es ein echt guter und detailreich inszenierter Thriller, der wirklich zum Nachdenken anregt und über den man sich im Anschluss noch eine ganze Weile ausgiebig unterhalten kann. Und sollte.

Marius Hanke