Der Himmel wird warten

Prädikat besonders wertvoll
Länge:
101 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 12 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Regie:
Marie-Castille Mention-Schaar
Darsteller:
Noémie Merlant (Sonia Bouzaria), Naomi Amarger (Mélanie Thenot), Sandrine Bonnaire (Catherine Bouzaria), Dounia Bouzar (als sie selbst), Zinedine Soualem (Samir Bouzaria)
Genre:
Drama
Land:
Frankreich, 2016
Die 17-Jährige Sonia ist scheinbar ein ganz normaler Teenager. Sie ist trotzig und aufbrausend gegen die Eltern und die kleine Schwester, eine von Millionen französischer Jugendlicher. Aber dann stürmt in der Nacht ein Sondereinsatzkommando die elterliche Wohnung und nimmt das Mädchen fest. Sie soll in terroristische Anschlagsplanungen des IS verwickelt gewesen sein. Fassungslos müssen die Eltern erfahren, wie weit die Radikalisierung und Infiltrierung ihrer geliebten Tochter fortgeschritten ist. Mit anderen Eltern besuchen sie Therapiesitzungen von Dounia Bouzar, die das „Zentrum zur Prävention gegen sektiererisches Abgleiten verbunden mit dem Islam“ leitet. Während Sonia ganz langsam zu ihrer Familie zurückfindet, geht Mélanie den umgekehrten Weg. Das Mädchen wächst bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, ein sozial engagierter Teenager mit festem Freundeskreis und engen Bindungen. So an die liebevolle Großmutter, die Mélanie regelmäßig in einem Pflegeheim besucht. Als diese wichtige Bezugsperson stirbt, ist Mélanie empfänglich für die Botschaften des unbekannten, aber überaus verständnisvollen Chat-Partners namens Freigeist. Er scheint so viel besser zu begreifen, wie sie sich fühlt, als alle anderen. Mélanie werden die täglichen Chat-Momente zu einer echten Sucht. Am Anfang macht Freigeist Komplimente über ihr Aussehen und ihre Tiefgründigkeit. „Du bist nicht so wie die anderen“, sagt er. Worte, die dem jugendlichen Mädchen direkt ins Herz treffen. Erst viel später kommt das Thema Religion auf, bis der Fremde von Mélanie verlangt, nicht mehr mit anderen Männern zu reden. Heimlich beginnt die Jugendliche den Koran zu beten, sie bestellt den Ganzkörperschleier im Internet und isoliert sich immer mehr von ihrem Umfeld. Am Ende plant sie tatsächlich mit anderen „Schwestern“ nach Syrien auszureisen, ohne dass ihre Mutter auch nur ansatzweise etwas mitbekommen hätte. Da hat Sonia den Prozess der Entradikalisierung bereits hinter sich, findet aber nur sehr langsam in ihr altes Leben zurück.

Die französische Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar (Die Schüler der Madame Anne, Meine erste Liebe - Dem Glück so nah, Willkommen in der Bretagne) wagt sich bei ihrer vierten Regiearbeit an ein heikles aber umso relevanteres Thema und hat dazu lange recherchiert. Die Schicksale der beiden Mädchen werden parallel und mit Zeitsprüngen erzählt. Neben den Gefühlswelten der Jugendlichen zeigt das Drama vor allem die bodenlose Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit der Eltern. Lange Szenen begleiten die Therapiesitzungen, in denen Dounia Bouzar, die auch im echten Leben dieses Zentrum leitet, den Eltern versucht den Prozess der Radikalisierung zu erklären. Wie kann es sein, dass diese Kinder, geliebt und behütet, sich emotional derartig von ihren Eltern entfernen und empfänglich für das fremde und absurde Weltbild der Islamisten werden, bis hin zur Bereitschaft das eigene Leben zu opfern? Die islamistischen Verführer agieren nach einem genauen, psychologisch perfiden Raster. Sie nutzen schamlos die Sehnsucht der jungen Frauen nach Gruppenzugehörigkeit und Werten, aber auch nach Liebe aus. Die Bereitschaft zur Radikalisierung wirken insbesondere bei Sonia wie eine Droge und die Abkehr davon wie ein Entzug. Nicht vollends gelingt es dem Film diese Verführungskraft plausibel zu machen, weil zu viele Szenen mit den Eltern befasst sind. Trotzdem ein empfehlenswerter und wichtiger Film.

Tatsächlich haben sich im Jahr 2015 und 2016 rund 15.000 Eltern an die Einrichtung zur Entradikalisierung gewandt. Über Tausend Franzosen sind nach Syrien in den Dschihad gezogen, die jungen Menschen kommen tatsächlich aus allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten.

DVD Extras: Interview, Trailer

Christiane Radeke

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

DVD-Bildformat: 1:2,35/16:9

Ton: Dolby Digital 5.1

Sprachen: Deutsch / Französisch

Untertitel: Deutsch

Anbieter

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Anbieterangaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (37. Woche 2017).