Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht

Serienstart:
02.09.2022
Staffel:
1
Folgen:
8
Länge der Folgen:
60 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Regie:
Juan Antonio Bayona, Charlotte Brändström, Wayne Che Yip
Darsteller:
Morfydd Clark (Galadriel), Robert Aramayo (Elrond), Markella Kavenagh (Nori Brandyfoot), Nazanin Boniadi (Bronwyn), Ismael Cruz Córdova (Arondir), u. a.
Genre:
Fantasy , Abenteuer , Literaturverfilmung
Land:
USA, 2022

Beginnen wir mit krassen Zahlen: Sage und schreibe 250 Millionen Dollar mussten die Macher*innen von Amazons „Der Herr der Ringe“-Serie allein für die Rechte an den Texten J. R. R. Tolkiens hinblättern. Zusätzliche 465 Millionen Dollar soll die achtteilige erste Staffel dieses auf mehrere Runden ausgelegten Prestigeprojektes gekostet haben. Einmal schütteln und durchatmen, bitte! Denn selbst im Streaming-Umfeld sind das unglaubliche Dimensionen. Ob sich die irrwitzigen Ausgaben auch nur annähernd rechnen? Schwer zu sagen. Leichter fällt es uns da, ein Urteil zu den ersten beiden Episoden abzugeben, die der Presse vorab gezeigt wurden.


Worum es in „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ geht:


Viele tausend Jahre bevor der Hobbit Bilbo Beutlin während eines Abenteuers einen magischen Ring entdecken und sein Neffe Frodo diesen irgendwann zerstören wird, scheinen in der von J. R. R. Tolkien erdachten Fantasy-Welt namens Mittelerde friedliche Zeiten anzubrechen. Der dunkle Absichten verfolgende Morgoth wurde besiegt und mit ihm das Böse verbannt, so ist die vorherrschende Meinung. Die junge Elbin Galadriel glaubt jedoch, Morgoths Diener Sauron bereite den nächsten Schlag vor, und heftet sich mit einer fast obsessiven Entschlossenheit an seine Fersen. Ihr eiserner Wille hat auch einen ganz persönlichen Hintergrund: Immerhin kam ihr Bruder in der Schlacht gegen Saurons Gebieter ums Leben.

Halbelbe Elrond, ein guter Freund Galadriels, sieht die Dinge etwas anders, blickt optimistischer in die Zukunft. Mit dem versierten Schmied Celebrimbor will er ein großes Projekt angehen und bittet dabei die Zwerge von Khazad-dûm um Hilfe. Prinz Durin IV. ist anfangs aber nicht allzu gut auf Elrond zu sprechen. Andernorts lehnt sich die junge Nori Brandyfoot, ein Mitglied des Hobbystammes der Harfüße, gegen die starren Regeln ihrer Dorfgemeinschaft auf. Während alle um sie herum nur den ihnen zugedachten Aufgaben nachgehen, sehnt sie sich nach einem Ausbruch aus dem Alltag, nach einem richtigen Abenteuer. Ein solches klopft an die Tür, als sie eines Nachts einen vom Himmel fallenden Fremden entdeckt. Hinweise auf das Wirken des Bösen in Mittelerde finden auch die menschliche Heilerin Bronwyn und der Waldelb Arondir, zwischen denen eine Liebebeziehung aufblühen könnte. Bronwyns Sohn Theo versteckt derweil vor seiner Mutter ein merkwürdiges Artefakt, das offenbar direkt mit Sauron in Verbindung steht.


Können die Auftaktfolgen der neuen Fantasy-Serie überzeugen?


„Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ erzählt die Vorgeschichte zu den Ereignissen aus „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“, jenen Tolkien-Werken, die Peter Jackson in zwei Trilogien für die große Leinwand adaptierte. Basis der Streaming-Produktion sind Hintergrundschilderungen aus dem „Der Herr der Ringe“-Roman und dessen Anhängen, die noch tiefer in die Geschichte und Mythologie der kreierten Fantasy-Welt eintauchen. Was sehr schnell auffällt: Wer mit Tolkiens Arbeiten nur wenig vertraut ist, könnte hier und da den Überblick verlieren. Die Showrunner Patrick McKay und John D. Payne geben sich zwar alle Mühe, den Kosmos überschaubar zu gestalten. Die Fülle an Personen, von denen nur manche aus den Verfilmungen bekannt sind, die fremd klingenden Namen und die ständigen Ortswechsel sind dennoch eine Herausforderung. Gerade weil so viele Dinge auf einmal eingeführt und erklärt werden müssen, bleiben die Figuren noch etwas skizzenhaft. Bislang zeichnen sie sich oft bloß durch eine einzige markante Eigenschaft aus. Galadriel ist eine Getriebene, die den Tod ihres Bruders rächen will, und Nori verkörpert den Drang nach Emanzipation – um nur zwei Beispiele zu nennen. Dass die Macher*innen ihre Protagonist*innen im Verlauf der Serie weiter ausfeilen, dürfte so gut wie sicher sein. Spannende Fragen tun sich auf jeden Fall schon jetzt auf: Wie wird aus der hier jungen Kämpferin Galadriel ihre so erhaben wirkende ältere Version, die wir in Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie, dort gespielt von Cate Blanchett, zu Gesicht bekommen?

Spannungstechnisch geht die Serie nach den ersten beiden Folgen noch nicht durch die Decke. Auch hier ist das notwendige Worldbuilding „schuld“. Bevor die zunächst in mehrere parallele Stränge aufgeteilte Handlung durchstarten kann, müssen ganz einfach Beziehungen etabliert, Konflikte angeschnitten und Charaktere samt Absichten umrissen werden. Sehr eindrucksvoll bringt „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ dagegen die Komplexität und den Detailreichtum von Tolkiens gigantischem Fantasy-Universum zum Vorschein. Verschiedene Orte bekommen durch Lichtsetzung und Farbgebung eine ganz individuelle Atmosphäre. Die Kostüme verleihen den unterschiedlichen Geschöpfen eine eigene, manchmal herrlich markante Note. Und – das ist anders als im Buch und in den Filmen – nun stehen auch starke Frauenfiguren im Zentrum. Auf größtmögliche Vielfalt zielte außerdem das Casting ab, was bereits für einen Aufschrei sorgte. Hier und da wirkt die Diversität sicher ein wenig erzwungen, in erzählerischer Hinsicht etwas ungelenk. Die Entscheidung der Serienverantwortlichen pauschal abzulehnen, ist trotzdem lächerlich. Denn wie unzeitgemäß und langweilig wäre es bitte, wenn wieder mal nur weiße Männer den Ton angeben würden?

Hoffnung auf ein mitreißendes Abenteuer kann man sich nach den von Juan Antonio Bayona inszenierten Auftaktepisoden auch deshalb machen, weil „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ gleich zu Beginn einige optische Ausrufezeichen setzt. Die spektakulären Landschaftsaufnahmen, viele davon in Neuseeland entstanden, wecken Erinnerungen an die ebenfalls dort gedrehten Leinwandadaptionen. Ins Auge sticht darüber hinaus die dynamische, uns in das Geschehen hineinziehende Kameraarbeit. Bereits in den ersten Minuten, wenn Galadriel an einem eisigen Hang emporklettert, sind wir – Bildgestalter Óscar Faura sei Dank! – mittendrin statt nur dabei. Visuell – so weit darf man sich nach zwei Folgen aus dem Fenster lehnen – braucht sich die Serie keineswegs vor den beliebten Jackson-Verfilmungen verstecken.


Unser Fazit zu „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“:


Ein echter Sog will nach Sichtung der ersten beiden Episoden noch nicht entstehen. Das Fundament für ein aufregendes Epos, das neben den berauschenden Jackson-Verfilmungen eine gute Figur abgibt, ist allerdings gelegt.

Christopher Diekhaus

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (35. Woche 2022).