Das Recht der Stärkeren

Länge:
98 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Kinostart:
20.04.2023
Regie:
Sebastian Peterson
Darsteller:
Irina Usova (Jana), Fabian Stumm (Dennis), Tim Riedel (Marvin), Jenny Löffler (Helene), Fabian Baecker (Falko) u.a.
Genre:
Drama
Land:
Deutschland, 2022

Die neue Regiearbeit von Sebastian Peterson beginnt mit einem Knall – wortwörtlich. Denn bevor wir in die Welt der Protagonistin eintauchen, sehen wir, wie bei der Premiere eines israelischen Films vor einem Berliner Kino eine Autobombe hochgeht. Der tödliche Anschlag, so viel lässt sich erahnen, hängt mit dem zusammen, was anschließend aus der Perspektive von Janas Handykamera erzählt wird. Die subjektive Videoblog-Aufmachung erinnert ein wenig an den pseudodokumentarischen Stil der sogenannten Found-Footage-Werke, die seit dem Erfolg von „Blair Witch Project“ vor allem im Gruselgenre anzutreffen sind. In gewisser Weise ist auch „Das Recht des Stärkeren“ ein Horrorfilm, kreist er doch um den Schrecken faschistischen Denkens und Handelns.


Worum es in „Das Recht des Stärkeren“ geht:


Gerade 18 geworden, investiert die von ihrem Leben schwer angenervte Jana das Geld ihres Vaters in ein neues Handy, mit dem sie die Szene der Videoblogger*innen aufzumischen plant. Mit den Inhalten der anderen Influencer*innen da draußen will sie allerdings nix zu tun haben. Statt Kitschkram möchte sie echte Probleme und echte Leute einfangen. Mit ihren Ambitionen ist es freilich nicht weit her. Eher ziellos filmt sie ihren Alltag, ihre Konflikte am Arbeitsplatz, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, in der sie sich aufreizend lustlos und aggressiv gibt. Anwesende werden beleidigt, und ständig surft Jana auf ihren Fake-Profilen in unterschiedlichen sozialen Netzwerken herum. Dort kopiert die Teenagerin Kommentare, fügt ihnen ein paar – manchmal provozierende – Worte hinzu und postet sie dann neu, um möglichst viele Likes zu sammeln. Als sie mit ihrer Methode immer mehr Follower*innen gewinnt, wird die rechtsradikale Gruppe „Freundeskreis“ auf sie aufmerksam. Schon bald besucht Jana deren Treffen, bei denen es immer wieder heißt: „Wir müssen endlich etwas gegen die Flüchtlingsschwemme, die Islamisierung Deutschlands, den Einfluss der Juden tun!“


Lohnt sich „Das Recht des Stärkeren“ für dich?


Dass Sebastian Petersons Projekt überhaupt realisiert werden konnte, ist ein kleines Wunder. Immerhin erhielt es trotz seines brandaktuellen Themas keine Fördermittel. Erst eine Crowdfunding-Kampagne brachte den Durchbruch. Die Beharrlichkeit des Regisseurs und seine aufklärerischen Absichten sind zweifelsohne lobenswert. Der fertige Film hat allerdings mehrere Baustellen, die ein überzeugendes Gesamtbild verhindern. Was als Erstes ins Auge sticht: Für eine Radikalisierungsstudie kommt das Porträt der Hauptfigur zu selten über Klischees hinaus. Die von Irina Usova gespielte Jana hat (Wer hätte es gedacht?) keine Freund*innen, ist ein Scheidungskind, fühlt sich von ihren Eltern vernachlässigt und neigt, wie sie uns selbst erklärt, von klein auf zu Gewaltausbrüchen. In der Vergangenheit scheint darüber hinaus irgendetwas bei ihr diagnostiziert worden zu sein. Leider bleibt der Film in diesem Punkt aber frustrierend nebulös, was natürlich auch mit seiner begrenzten Sicht zu tun hat. Schließlich besteht die Geschichte weitgehend aus Janas Videoblog, in dem sie nicht darüber sprechen will.

Die Rolle der sozialen Medien in der Verbreitung rechtsextremer Gedanken und der Rekrutierung neuer Unterstützer*innen kann zudem gar nicht oft genug betont werden. Hier greift Peterson sicher einen wichtigen Aspekt auf. Unglücklicherweise stellt er die Online-Mechanismen jedoch recht plump und simpel dar. So, wie Jana vorgeht, mag man nicht wirklich glauben, dass sie immer mehr Follower*innen findet. Problematisch, da zu oberflächlich, fällt außerdem die Zeichnung der „Freundeskreis“-Clique aus. „Was ihr hier macht, ist großartig!“, bekräftigt an einer Stelle ein Altnazi, der die Gruppe in ihrem Kellergewölbe besucht. Was genau er meint? Keine Ahnung. Über die Mitglieder und ihre Aktionen erfahren wir nämlich viel zu wenig. Eben dadurch kommt auch die gefährliche Faszination rechter Ideologien, die der Regisseur mitabbilden wollte, nur bedingt rüber. Eine überraschende Schlusspointe verleiht der Handlung zwar noch einmal etwas Gewicht. Die Schwächen des Films kann sie aber nicht kaschieren – so bitter und böse sie sein mag.

Christopher Diekhaus

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