Das melancholische Mädchen

Länge:
80 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
26.06.2019
Regie:
Susanne Heinrich
Darsteller:
Marie Rathscheck (das melancholische Mädchen), Nicolai Borger, Yann Grouhel, Nicolo Pasetti
Genre:
Drama , Komödie , Episodenfilm , Politischer Film
Land:
Deutschland, 2019

Auf der Suche nach einem Schlafplatz läuft das melancholische Mädchen durch die Großstadt und hat dabei die unterschiedlichsten Begegnungen. Im Fotostudio mit den Anforderungen, für ein Werbecasting zu posieren, mit jungen Müttern beim Yoga, in einer Ausstellung mit einem sexuell abstinenten Existentialisten, mit einem nackten Bauarbeiter bei einem Teller Nudeln.

15 kurze Episoden erzählen die Reise des melancholischen Mädchens durch die Stadt, lassen sie in unterschiedliche Orte und Situationen eintauchen und vor allem immer wieder Männern begegnen. Das ist eigenwillig und skurril, denn Susanne Heinrichs Debütfilm verweigert konsequent, was man von einem Film klassischerweise erwarten würde: Eine Geschichte, eine Psychologie der Figuren und die Möglichkeit, mitfühlen zu können. Wenn das hier zum Beispiel ein Film wäre, sagt das melancholische Mädchen in der ersten Episode, würden wir jetzt schon alle verlieren, die sich mit der Hauptfigur identifizieren wollen. „Das melancholische Mädchen“ setzt damit konsequent in seiner Erzählweise und Form um, was sein Inhalt ist. Denn die Protagonistin, das titelgebende melancholische Mädchen, ist nicht einfach melancholisch, sondern depressiv. Susanne Heinrich zeigt eindrucksvoll, wie dies kein individuelles Problem ist, sondern wie die Umstände dafür verantwortlich sind: Nach wie vor eingefahrene Erwartungen, wie Männer und Frauen sich zueinander zu verhalten haben, der Kapitalismus, der Druck ausübt, das Beste zu sein und zu tun, um sich optimal durch die Gesellschaft zu bewegen.

„Das melancholische Mädchen“ ist ein politischer Film, der mit seinen pointierten Beobachtungen genüsslich den Finger in die Wunde hält - und das auf wunderbar unterhaltsame Weise. Susanne Heinrich gelingt das Kunststück, die klugen aber eben auch sperrigen theoretischen Texte, die ihre Figuren sagen, in so leichte wie schräge Bilder zu wandeln. Jede Szene ist visuell sorgsam durchkomponiert, in Farben und kleinen Requisitendetails präzise und gewitzt durchdacht. Dazu kommt die ebenfalls genau komponierte Tonebene. Die Schauspieler spielen nicht naturalistisch, der Ton ist immer ein bisschen künstlich oder drüber. Ein so gedanklich anregender, wie visuell einprägsamer und vergnüglicher Film mit einer wunderbar eigenwilligen Protagonistin. Ein Antifilm, der zu Recht als Bester Spielfilm beim diesjährigen Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde.

Kirsten Loose

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