Das Massaker von Lidice

Am 10. Juni 1942 wurden die Bewohner des westlich von Prag gelegenen kleinen Ortes Lidice von der deutschen Wehrmacht unter Aufsicht von SS-Offizieren zusammengetrieben, ihre Häuser geplündert und in Brand gesteckt. Die meisten Kinder wurden vergast, die Frauen ins KZ verfrachtet, die Männer noch vor Ort von einem Erschießungskommando getötet, an dem auch viele Schutzpolizisten beteiligt waren. Auslöser für dieses Massaker der deutschen Besatzungsmacht an der tschechischen Zivilbevölkerung war ein Attentat auf Reinhard Heydrich, Hitlers Statthalter in Prag. Als dieser eine Woche später seinen Verletzungen erlag und dringend ein Schuldiger gefunden werden musste, sollte als Vergeltungsmaßnahme der Ort Lidice gleich ganz von der Landkarte verschwinden – ein Schicksal, das genau zwei Jahre später übrigens auch den französischen Ort Oradour-sur-Glane traf. Vor diesem historischen Hintergrund spielt die Geschichte, die Petr Nikolaev in seinem Spielfilm erzählt. Im Mittelpunkt steht Frantisek Slima, der wegen eines tödlich endenden Familienstreits mit einem seiner beiden Söhne im Gefängnis landet und dank dieser Ironie des Schicksals das Massaker als Gefangener überlebt. So kann er nicht wissen, dass ausgerechnet sein Dorf von den Nazis zur Vernichtung bestimmt wurde, um den tschechischen Widerstand zu brechen. Als Frantisek aus dem Gefängnis entlassen wird, ist sein Heimatort vom Erdboden verschwunden.

Der aus der beobachtenden Kameraperspektive gedrehte Film besteht im Wesentlichen aus drei Teilen. In der ersten Stunde werden Frantiseks Jahre im Gefängnis, der schwierige, wenn auch nicht völlig glücklose Alltag der streng katholischen Dorfbewohner unter der deutschen Besatzung und die Versuche von Frantiseks Freunden geschildert, damit er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird. Genauso unspektakulär werden die mit tödlicher Präzision ablaufenden Vernichtungsmaßnahmen gegen die Dorfbewohner inszeniert, die nur wenige Frauen überleben. Dabei kann dem 2011 gedrehten Film nicht angelastet werden, dass er neue historische Erkenntnisse von 2012 nicht berücksichtigt und lediglich einen einzigen Kollaborateur der tschechischen Schutzpolizei zum tragischen Antihelden stilisiert. Wie es diesem mit seiner Schuld und Frantisek als einem unfreiwillig Überlebenden und von den neuen politischen Machthabern fast vollständig Totgeschwiegenen nach Kriegsende ergeht, davon handelt der dritte Teil des Films, der vor allem die zynische Menschenverachtung des NS-Apparates in Erinnerung ruft.

DVD-Bildformat: 1:1,85; 16:9
Ton: Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0
Sprachen: Deutsch, Tschechisch

Holger Twele