Das Auerhaus

Film: Das Auerhaus
Prädikat besonders wertvoll
Länge:
102 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
05.12.2019
Regie:
Neele Leana Vollmar
Darsteller:
Damian Hardung (Höppner), Max von der Groeben (Frieder), Luna Wendler (Vera), Devrim Lingnau (Cäcilia), Ada Philine Stappenbeck (Pauline), Sven Schelker (Harry)
Genre:
Jugend , Drama
Land:
Deutschland, 2019

Höppner steht kurz vor dem Abi und seine Freundin Vera ist das hübscheste Mädchen im Dorf. Zur Bundeswehr will er nicht, nach der Schule soll es gleich nach Berlin gehen. Es könnte alles gut sein, ist es aber nicht. Es ist das Jahr 1983, ein grauer Herbst in der deutschen Provinz. Die endlosen Felder und die trist leere Landschaft schreien geradezu danach: Es gibt nur eine Lösung, nämlich möglichst schnell weg von hier. Frieder macht immer heimlich die Hausaufgaben für Höppner, aber dann fehlt er eines Tages in der Schule. Er hat versucht sich umzubringen. Die Mitschüler reagieren fassungs- und hilflos. Höppner besucht ihn in der Psychiatrie, einem finsteren Gebäude. Und das nur, weil er seine Aufgaben für die Schule erledigt haben will, was Frieder sofort durchschaut. Trotzdem schlägt der seltsame Einzelgänger vor, gemeinsam das Haus seines Großvaters zu beziehen, eine WG zu gründen. So kommt es, dass die beiden ungleichen Jungs mit Vera und der Klassenbesten und Außenseiterin Cäcilia ins „Auerhaus“ ziehen. Der Name verballhornt den Madness Song „Our House“. Später kommt noch die Pyromanin Pauline aus der Psychiatrie dazu und der schwule Harry, der aber auch ein Auge auf Vera geworfen hat – oder umgekehrt. Die Jugendlichen wollen Frieder vor dem Selbstmord retten – aber geht das überhaupt, wenn einer beschlossen hat, dass er nicht leben will? Frieder schwankt extrem zwischen Euphorie und Melancholie. Es wird gefeiert, aus dem Alltag ausgebrochen, geklaut, geraucht und ganz zart entwickelt sich auch eine Freundschaft zwischen den Jungen. Aber am Ende kann hier keiner den anderen retten und nur einer schafft den Absprung in die große Welt.

2015 war der gleichnamige Jugendroman von Bov Bjerg ein großer Überraschungserfolg, nicht zuletzt bestimmt wegen der glaubhaften Zustandsbeschreibung des Lebens in der württembergischen Provinz Anfang der 1980er Jahre. In der Kinoadaption können zwar die jugendlichen Darsteller allesamt voll überzeugen. Vor allem Max von der Groeben stürzt sich kraftvoll in das Abenteuer, einen manisch depressiven, auch exzentrischen Jugendlichen zu spielen. Dennoch entwickelt das Coming-of-Age Drama keine Energie, die Wortlosigkeit durchzieht viele Szenen, eigentlich hört hier niemand dem anderen zu. Erst als Höppner und Frieder nach einer haarscharfen Katastrophe an den Bahngleisen über alles reden können, entsteht ein wenig Entwicklung zwischen den Figuren. Die anderen Konflikte – Vera, die offenbar gelangweilt von Höppners Unsicherheit lieber ihre Liebe aufteilen will, oder Cäcilia, die ihre bürgerlich spießige Herkunft nicht ablegt – bleiben oberflächlich skizziert. Auch die Darstellung der Erkrankung von Frieder schafft wenig Erkenntnis, letztendlich bleibt der Eindruck, es gibt hier keinen Ausweg. Das wird der Buchvorlage sicher nicht gerecht. Der Retrotrip in eine andere Dekade vermittelt zwar treffend ein bestimmtes diffuses Lebensgefühl und bringt dieses immer wieder in einzelnen fein ausgearbeiteten Szenen zum Ausdruck, kann aber im Gesamten keinen zwingenden Spannungsbogen aufbauen.

Christiane Radeke

Anbieter