Camera obscura (OmU)

Nach einem Unfall hat die 13-jährige Ana ihr Sehvermögen verloren. Ihre Eltern investieren ihr ganzes Geld, damit sie durch eine weitere Operation ihr Augenlicht wiedererlangt. Mit ihrer beginnenden Pubertät hat Ana jedoch ganz andere Probleme und Interessen. In den Sommerferien am Meer entdeckt sie ihre Sinnlichkeit und erlebt ihre erste zaghafte Liebe mit Antonio, dem um viele Jahre älteren Cousin ihres Vaters. Dieser arbeitet als Fotograf und hat schon die halbe Welt bereist. Obwohl Ana blind ist, möchte auch sie fotografieren. Mit Hilfe ihrer anderen Sinne und mit Antonios Unterstützung lernt sie, die Welt um sich herum zu begreifen. Ernst genommen wird sie dabei weder von den anderen Jugendlichen in ihrem Alter, noch von ihrer Familie, im Gegenteil. Denn mit ihrer Kamera enthüllt Ana auch ein Geheimnis, das sie eigentlich nicht erfahren soll. Zugleich beginnt sie, trotz ihres Handicaps, ihr Recht auf ein eigenes Leben einzufordern, das nicht von Mitleid und Bemutterung geprägt ist.

Die in San Sebastian geborene baskische Filmemacherin Maru Solores studierte an der Berliner Film- und Fernsehakademie Regie. Gemeinsam mit der deutschen Koautorin Ruth Rehmet und dem deutschen Kameramann Frank Amann dreht sie dann ihren ersten Langspielfilm in Spanien und in spanischer Originalfassung, hier mit deutschen Untertiteln. Mit diesem Film möchte sie zeigen „was eine Kamera leisten kann, wenn ihre Handhabung durch die Sinne geleitet wird.“ Das ist ihr und ihrem Kameramann auf sehr beeindruckende Weise gelungen. In unzähligen Nah- und Großaufnahmen verweilt die Kamera auf dem Gesicht des Mädchens. Es ist von dieser Distanzlosigkeit scheinbar unberührt, denn die Darstellerin leidet tatsächlich an einem Glaukom und ist erblindet. Zusammen mit dem Ton und insbesondere auf der Geräuschebene nähert sich die Kamera der Erfahrungs- und Erlebniswelt der Protagonistin und erzeugt eine atmosphärische Dichte und Intensität, wie sie in einer Pubertätsgeschichte mit einer 13-Jährigen bisher selten im Kino zu sehen war.

Holger Twele