Bohnenstange

Länge:
137 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
22.10.2020
Regie:
Kantemir Balagov
Darsteller:
Viktoria Miroshnichenko (Iya), Vasilisa Perelygina (Masha), Andrey Bykov (Nikolay Ivanovich), Igor Shirokov (Sasha), Konstantin Balakirev (Stepan) u. a.
Genre:
Drama , (Anti-)Kriegsfilm
Land:
Russland, 2019

Leningrad 1945, unmittelbar nach dem Krieg und der Belagerung: Wohnraum und Lebensmittel sind knapp und das Überleben ist für die meisten Bewohner ein einziger Kampf. Auch für die hochgewachsene Krankenschwester Iya, die wegen ihrer Körpergröße als Bohnenstange bezeichnet wird. Da sie einen kleinen Sohn hat, lässt ihr der leitende Arzt des Lazaretts ab und zu Sonderrationen zukommen. Iya leidet unter Schockstarre und bei einem ihrer Anfälle kommt Pashka auf tragische Weise ums Leben. Später stellt sich heraus, dass Pashka der Sohn von Iyas Freundin Masha war, die als Soldatin gegen die deutsche Besatzung gekämpft hatte. Nach einer Totaloperation kann Masha keine eigenen Kinder mehr bekommen. Daher verlangt sie von Iya, ihre Schuld zu begleichen, indem sie sich selbst schwängern lässt. Masha wiederum lässt sich auf eine Beziehung mit dem wenig attraktiven Sasha aus gutbürgerlichem Haus ein und hofft auf eine Chance für eine bessere Zukunft.

Der 29-jährige russische Regisseur Kantemir Balagov ließ sich für seinen zweiten Spielfilm von dem Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ der belorussischen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexjiewitsch inspirieren. Auf den ersten Blick mag es vielleicht stutzig machen, dass ein junger Mann, der den Krieg gar nicht selbst erlebt hat, etwas darüber erzählen will, wie es Frauen damals ergangen sein könnte. Frauen, die als Mütter Leben geben sollten, aber im Zweiten Weltkrieg als Soldatinnen nur Tod und Zerstörung vor Augen hatten. Aber das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen: Und das nicht nur, wegen der herausragenden darstellerischen Leistung der beiden Frauen, in deren Körpersprache sich vor allem die Folgen des Krieges widerspiegeln. Genauso gelungen ist die formale Umsetzung, die mit den meisten Kriegs- und Nachkriegsfilmen über jene Zeit rein gar nichts zu tun hat. Abgesehen von einigen vorwiegend nächtlichen Außenszenen findet das Kammerspiel fast nur in wenigen Innenräumen statt, in der beengten Wohnung der beiden Freundinnen etwa oder in einem Militärlazarett, in dem kriegsversehrte Soldaten behandelt werden, sterben müssen oder sterben wollen. Wo üblicherweise alles Grau in Grau dargestellt wird, um den schwierigen Neuanfang in einer jahrelang von den Deutschen belagerten und weitgehend zerstörten Stadt symbolkräftig zu vermitteln, wirken die traumatisierten Menschen in diesem Film zwar blass, unbeholfen und oft nur noch als Schatten ihrer selbst, doch ihre unmittelbare Umgebung ist von leuchtenden warmen Farben umgeben. Diese wirken nicht etwa künstlich, sie lassen die inneren und äußeren Zerstörungen nur buchstäblich in einem anderen Licht erscheinen. Ein überlanger Film, auf den man sich zwar einlassen muss, der aber den Aufwand lohnt und einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.

Holger Twele

Anbieter

Filmverleih Eksystent Distribution