Black Butterflies

Eine junge Frau wird von einem um etwa 20 Jahre älteren Mann an einem Strand in Südafrika vor dem Ertrinken gerettet. Schnell finden sie heraus, dass sie beide Schriftsteller sind, die nicht nur die Werke des anderen gut kennen, sondern sich auch auf Anhieb gut verstehen. Was zwischen Ingrid Jonker und Jack Cope wie eine Romanze mit echten Zukunftsperspektiven beginnt, endet für die Dichterin einige Jahre später mit ihrem Freitod, den auch ihr einstiger Lebensretter nicht verhindern kann. Denn Ingrid Jonker (1933-1965), die nach dem Tod ihrer Mutter zusammen mit ihrer älteren Schwester bei den Großeltern aufwuchs, leidet unter einer manisch-depressiven Erkrankung. Nach mehreren Klinikaufenthalten und einer damals gängigen Elektroschocktherapie wird sie nicht geheilt, sondern stürzt noch mehr in tiefste Verzweiflung. Weit mehr noch leidet sie als ungeliebte Tochter eines Ministers der Nationalen Partei unter ihrem Vater. Dieser verkörpert als Leiter der Zensurbehörde kompromisslos das System der Apartheid, der strikten Rassentrennung zwischen der herrschenden weißen Klasse und der in ihre Townships verbannten schwarzen Bevölkerung. Er entscheidet in seiner Funktion, welche literarischen Werke in Südafrika veröffentlicht werden dürfen oder verboten werden. Von der Dichtkunst seiner Tochter, die auch politisch gegen ihn opponiert, hält er rein gar nichts, selbst als diese einen Literaturpreis gewinnt und mit dem Preisgeld nach Europa reist. So bleibt ihre Sehnsucht nach Anerkennung unstillbar, woran auch ihre häufig wechselnden Männerbekanntschaften nichts ändern.

Persönlich auf tragische Weise gescheitert, hat sie in ihrer Dichtkunst den Traum eines freien Südafrika vorweggenommen. So zitierte Nelson Mandela eines ihrer Gedichte 1994, als das erste demokratisch gewählte südafrikanische Regime seine Arbeit aufnahm. In der niederländisch-deutschen Koproduktion, die an Originalschauplätzen in Südafrika gedreht wurde, erinnert die holländische Regisseurin Paula van der Oest an diese hierzulande kaum bekannte Dichterin. Sie wird von der niederländischen Schauspielerin Carice van Houten in beeindruckender Weise gespielt, ohne die manisch-depressiven Elemente der Figur zu stark in den Vordergrund zu rücken. Zum besseren Verständnis dieses anspruchsvollen Künstlerporträts einer Dichterin, die sich nach privater und politischer Freiheit sehnte, aber Wunsch und Wirklichkeit nie zur Deckung bringen konnte, sind Vorkenntnisse sowohl über das damalige Apartheitsregime als auch über die psychische Erkrankung der Dichterin und die gängigen problematischen Behandlungsmethoden jener Zeit von Vorteil.

Holger Twele