Beyto

Länge:
98 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Kinostart:
01.07.2021
Regie:
Gitta Gsell
Darsteller:
Burak Ates (Beyto), Mike (Dimitri Stapfer), Ecem Aydin (Seher), Narin (Beren Tuna), Seyit (Serkan Tastemur)
Genre:
Drama , Love Story , Literaturverfilmung
Land:
Schweiz, 2020

Dass Konflikte entstehen können, wenn sich kulturelle Traditionstreue und individuelle Bedürfnisse in die Quere kommen, legte der preisgekrönte Schriftsteller Yusuf Yeşilöz schon in seinem Roman „Hochzeitsflug“ offen. Regisseurin Gitta Gsell überträgt die Vorlage in einen berührenden Spielfilm und stellt Fragen nach der Selbstbestimmung sowie ihrer Grenzen. „Beyto“ erzählt mit sanfter Empathie die multikulturelle Liebes- und Emanzipationsgeschichte des schwulen Titelhelden, der sich aus dem Druck familiärer Erwartungen und gesellschaftlicher Konventionen löst.

Schnell wie ein Pfeil zieht Beyto (Burak Ates) seine Bahnen im Schwimmbecken. Er ist nicht nur Schwimmprofi, sondern glänzt auch im Studium mit Bestnoten. Seinen türkischen Eltern hilft er in der Dönerbude, kann sich aber nicht so recht mit ihrem Lebensstil identifizieren. Denn diese leben zwar schon eine ganze Weile in der Schweiz, pflegen aber nichtsdestotrotz ein konservatives Weltbild, in dem allein schon die Vorstellung einer Partnerschaft zwischen zwei Männern keinen Platz findet. Beyto, der schwul ist, verbirgt seine Sexualität deshalb. Doch das geht nicht lange gut! Als eine seiner Tanten zufälligerweise über den Zürcher CSD stolpert, stellt sie erschaudernd fest, dass sich inmitten der sündhaft-kunterbunten Karawane auch ihr junger Neffe tummelt. Und nicht nur das: Er tauscht auch noch in aller Öffentlichkeit Zärtlichkeiten mit einem Mann aus. Dieser heißt übrigens Mike (Dimitri Stapfer) und ist Beytos heimlicher fester Freund (und Schwimmtrainer). Um das angekratzte Image ihres Vorzeigesohnes zu retten und die Ehre der Familie vor weiterer Beschmutzung zu verwahren, locken die Eltern Beyto unter einem Vorwand für einen Verwandtenbesuch ins tscherkessische Heimatdorf in der Türkei. Nach der anfänglichen Wiedersehensfreude seiner Kindheitsfreund*innen gibt es für Beyto ein böses Erwachen: Ihm wird die Vermählung mit seiner Cousine Seher (Ecem Aydin) auferlegt. Genau hier wird der Film durch eine weitere Perspektive bereichert, die ihn von einer rein schwulen Emanzipationsstory ablöst: Denn Beytos und Sahars Schicksale sind allein schon durch den Akt der von den Eltern eingefädelten Verlobung eng aneinandergekoppelt. Zwar beichtet Beyto Seher seine Homosexualität, doch ein Rückzieher seinerseits würde sie in Schande stürzen...

Im Verlauf des Films gelingt es Gitta Gsell, einerseits die Zerrissenheit ihres Protagonisten, andererseits aber auch die ausweglose Lage seiner jungen Ehefrau auszuleuchten, die ungewollt zum Hindernis für dessen Liebesbeziehung wird. Denn zurück in der Schweiz muss Beyto Mike unter die Augen treten, der verständlicherweise not very amused über die Neuigkeiten ist. Seher hockt unterdessen vernachlässigt im Käfig ihrer bereits gescheiterten Ehe. Die Auswanderung, von der sie sich ungeahnte Möglichkeiten erträumte, verwandelt sich in einen einsamen Albtraum. Gsell zeigt eindrücklich, wie sich gegensätzliche Wertevorstellungen, zwischenmenschliches Verantwortungsbewusstsein und individuelle Sehnsüchte gegenseitig zerreiben können. Kann man sich durch einen respektvollen Dialog auf Augenhöhe aus solchen Ausgangssituationen befreien? „Beyto“ zumindest gibt eine wohltuend versöhnliche Antwort auf diese Frage.

Nathanael Brohammer

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FilmverleihSalzgeber