Angelo

Länge:
0 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 12 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 0 Jahren
Kinostart:
28.11.2019
Regie:
Markus Schleinzer
Darsteller:
Makita Samba (Angelo 4), Alba Rohrwacher (Countess), Kenny Nzogang (Angelo 2), Lukas Miko (Kaiser), Larisa Faber (Magdalena), Nancy Mensah Offei (Angelos Tochter)
Genre:
Drama , Historienfilm
Land:
Österreich, Luxemburg, 2019

Anfang des 18. Jahrhunderts wird ein kleiner Junge aus seinem afrikanischen Heimatland verschleppt und als Sklave an eine alleinstehende Gräfin verkauft. In der Zeit der beginnenden Aufklärung möchte die Countess an dem auf den Namen Angelo getauften Kind ein Exempel statuieren. Der edle Wilde könne erzogen und gebildet werden. Dabei ging es allein um den eigennützigen Wunsch, sich mit diesem menschlichen „Ornament“ zu schmücken und der eigenen Herrlichkeit zu vergewissern. Der kleine Angelo wird in höfischer Sprache und Gepflogenheiten unterrichtet, in Musik und Schauspiel. Seine wahren Bedürfnisse nach Nähe, Heimat und Identität spielen hingegen gar keine Rolle. So wird aus dem Sklavenjungen eine allein der weißen Herrschaftsschicht dienende Identität kreiert, ein Prestigeobjekt des Adels, das ganz in die Zwänge der Zeit eingebunden war. Das Projekt ist so erfolgreich, dass Angelo als junger Mann in die Dienerschaft des Kaisers wechselt. Aber trotz vieler Vorzüge genießt Angelo keine vollständigen Menschenrechte. Die heimlich mit einer Weißen vorgenommene Heirat führt zum Eklat, Angelo wird entlassen. Aber wird der junge Mann sich in Freiheit überhaupt zurechtfinden? Nach seinem Tod ereilt der Körper des legendär gewordenen „Hofmohren“ ein bizarres Schicksal.

Dem österreichischen Historiendrama geht es weniger um die Innensicht der historischen und legendären Figur des Angelo, als vielmehr um die Perspektive weißer Europäer auf das „Andere“. Regisseur Markus Schleinzer setzt dabei auf subtile Tableaus, die zunächst durch die opulenten Kostüme historisch wirken, immer wieder aber ihre Aktualität keinesfalls leugnen. So flackern in der Halle des Sklavenmarkts, bei dem kleinen Jungen wie Vieh in den Mund gesehen wird, die Neonröhren. Später trägt Angelo eine mondäne Lederjacke, und weitere Details verweisen immer wieder auf die Fiktionalität der Historie. Dahinter steckt die Überzeugung des Filmemachers, dass im Jahr 2019 das Jahr 1720 sowieso nicht authentisch erzählt werden könnte. Gleichzeitig stützt diese formale Entscheidung aber auch die Theatralik der Inszenierung, welche sowohl die komponierten Bilder als auch das ausbeuterische Geschehen für sich sprechen lässt. Dadurch tritt die unreflektierte Dominanz der Weißen, die Geschichte von Kolonialisierung, Rassismus und Ausbeutung, deutlich zu Tage. Zwar wird dem Sklavenkind mit seinem Vorzeige-Lebensweg eine Art Menschwerdung gegeben, aber niemals eine tatsächliche, individuelle Identität ermöglicht. Das Ausstellen des Leichnams in der Naturkundesammlung neben exotischen Vögeln und wilden Tiere setzt dieser Geschichte ein Ende, das an dem Überlegenheitswahn der Europäer keinen Zweifel lässt. Das Drama reflektiert auf etwas sperrige und theatralische Art die Themen unserer Gegenwart: Vertreibung, Entwurzelung, Identitätsberaubung – etwa in der Flüchtlingsdebatte – und eine koloniale Denkweise, die auch im Jahr 2019 leider noch nicht Geschichte ist.

Christiane Radeke

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