Am Ende kommen Touristen

Der Name Auschwitz steht stellvertretend für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, benennt das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten, in dem Abertausende von Juden und anderen „Gegnern“ des Terrorregimes ermordet wurden. Weniger bekannt sind jedoch der gleichnamige polnische Ort Oswiecim und die Tatsache, dass auch deutsche Kriegsdienstverweigerer ihren „Ersatzdienst/anderen Dienst im Ausland“ in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte dort ableisten können, die der heutigen Gedenkstätte angeschlossen ist. Regisseur Robert Thalheim hat seine eigenen Erfahrungen als Deutscher an diesem historisch „sensiblen“ Ort in seinem dokumentarischen Spielfilm verarbeitet, der gleichermaßen zu einer Begegnung mit der jungen Generation der in Oswiecim lebenden Polen wird und dazu auffordert, in direkter Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen der kollektiven Gedenk- und Erinnerungskultur eine eigene Position zu beziehen.

Sven, in gewisser Hinsicht das alter ego des Regisseurs, kommt vollkommen unvorbereitet nach Oswiecim, denn eigentlich wollte er seinen Ersatzdienst gar nicht in Polen ableisten. Nun muss er sich um den KZ-Überlebenden Krzeminski kümmern, der auf eigenwillige Art mit dem erlittenen Trauma umgeht und erkennen muss, dass er als einst gefragter Zeitzeuge immer mehr funktionalisiert wird. Im Umgang mit ihm und anderen Polen tritt Sven von einem Fettnapf in den nächsten, verliebt sich aber auch in die polnische Dolmetscherin Ania, die zu ihrem Heimatort einen ganz anderen Bezug entwickelt hat. Als Sven sich den Herausforderungen an diesem Ort nicht gewachsen sieht und das Handtuch werfen will, begegnen ihm am Bahnhof Touristen, die ihn nach dem Weg zur Gedenkstätte fragen.

Thalheim gelingt in seinem in leisen Zwischentönen gehaltenen dokumentarischen Spielfilm ein wirklich sehenswertes gegenwartsbezogenes Generationenporträt von jungen Deutschen und Polen und ihrer individuellen Suche nach einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die nicht mehr bereit sind, lediglich den äußerlich vorgegebenen Mustern des kollektiven Erinnerns zu folgen.

DVD-Bildformat: 16:9
Ton: Dolby Surround, Dolby Digital 5.1
Sprache: Deutsch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
DVD-Extras: Audiokommentar, Featurette, Kurzfilm ""Dachau bei München"", Entfallene Szenen, Trailer

Holger Twele