Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung

Im Fürstentum Dunark wurden Fürst Ebeneser, seine schwangere Frau und ihr kleiner Sohn ermordet. Der ältere Sohn Nicodemus, letzter Überlebender des Geschlechts der Raben, soll die Tat begangen haben. Doch trotz Indizienbeweisen gesteht er die Morde nicht. Deshalb wird nach der Beschämerin Melussina gerufen, die die fantastische Gabe hat, eine Tat, für die man sich schämt, durch einen Blick in die Augen zu erkennen. In den Augen des Fürstensohns sieht Melussina zwar allerlei, wofür er sich schämt, die Morde sind es jedoch nicht.

Nicodemus‘ Halbbruder Drakan, aus dem Geschlecht der Drachen, holt daraufhin Dina, Melussinas Tochter, an den Hof, denn sie hat die Gabe ihrer Mutter geerbt. Doch er will keineswegs ein Geständnis erreichen, sondern Nicodemus einen weiteren Mord anhängen. Sein Plan misslingt und Dina flieht mit Nicodemus durch die Drachenhöhle aus der Burg. Drakan schafft es daraufhin mit Leichtigkeit, das Volk gegen Nicodemus aufzubringen. Er ernennt sich kurzerhand selbst zum Fürsten Dunarks und ruft das Fürstentum der Drachen aus. Nicodemus und Dina geltenalsvogelfrei, Melussina sitzt als Hexe im Kerker. Als Nicodemus offenbar in einem Feuer umkommt, soll Dina durch die Ankündigung der öffentlichen Hinrichtung ihrer Mutter aus ihrem Versteck gelockt werden.

In mittelalterlicher Kulisse zeigt sich schon zu Beginn des Films, dass Drehbuchautor Anders Thomas Jensen (bekannt für schwarze, tiefgründige Komödien wie Adams Äpfel und Men & Chicken) die emotionale und moralische Tiefe des Stoffes auslotet. Dinas Gabe scheint ihr mehr Fluch als Segen, denn natürlich will niemand mit einem Mädchen spielen, das in der eigenen Seele die dunklen Flecken entdeckt. Die Gabe macht sie folglich einsam und der ungewohnte Auftrag, einen Mörder zu überführen, macht ihr Angst. Ihrem Gegenspieler Drakan ist Furcht dagegen fremd, Scham geht ihm völlig ab und seine emotionale Kälte überspielt er mit Charme. Im Spannungsfeld dieser beiden Hauptfiguren siedelt Regisseur Kenneth Kainz seinen Kampf um Wahrheit und Lüge an. Die Botschaft, dass jeder Mensch Schwächen hat, letztendlich aber zählt, ob man „richtig“ und „falsch“ unterscheiden kann, wird dabei mit ihren Ambivalenzen und Zwischentönen sorgfältig ausgelotet.

Hinter Fantasyfilmen der großen Studios mit hohen Budgets muss sich „Die Hüterin der Wahrheit“ nicht verstecken. Locations, Ausstattung, Kostüme und Masken ordnen sich der Handlung authentisch unter, die Figuren sind glaubwürdig und die Kinobilder von großer Kraft. Die großartigen Fähigkeiten skandinavischer Filmemacher und Erzähler sind von Anfang bis Ende zu spüren.

Die Vorlage des Films, der Jugendroman „Die Beschämerin“, ist der erste Teil einer Tetralogie. In Deutschland erschien er zunächst unter dem Titel „Dina in der Drachenburg“, wurde jetzt allerdings unter dem Filmtitel neu aufgelegt. Lene Kaaberbøl, eine der erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Dänemarks, hat die Reihe um Dina und ihre fantastische Gabe geschrieben. Das offene Ende des ersten Teils lässt hoffen, dass auch die übrigen Bücher hier bald zu lesen sind und weitere Filme nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Blu-ray-Bildformat:1:2,40/1080p
Ton:dts HD 7.1
Sprachen: Deutsch dts HD 7.1/Dänisch dts HD 7.1
Untertitel: Deutsch

Rotraut Greune