Cloud Atlas

„Unsere Leben gehören nicht uns. Von der Wiege bis zur Bahre sind wir mit anderen verbunden, in Vergangenheit und Gegenwart. Und mit jedem Verbrechen und jedem Akt der Güte erschaffen wir unsere Zukunft.“ Diese Weisheit des Klons Sonmi-451 aus dem Jahr 2144 ist der Kern und der rote Faden eines Films, der knapp 500 Jahre umfasst und dabei jede Menge Verbrechen, Güte, Action, Witz und meditativer Momente zu einem gewaltigen, mitreißenden Bogen spannt. Das Trio der Regisseure erzählt sechs Geschichten - nicht nacheinander, sondern miteinander verwoben. Personen, Gegenstände, Gedanken und Melodien wiederholen sich in jeder Zeitebene, werden aufgenommen, verändert, zurückgeführt und dabei zu einem großartigen Welttheater kombiniert. Die Darsteller - allen voran Tom Hanks und Halle Berry - spielen Personen in jeder der sechs Geschichten und Zeiten, wobei Alter, Hautfarbe, Geschlecht und Charakter wechseln - ein Vergnügen für die Schauspieler (wie das Making-of verrät) und für die Zuschauer (die vermutlich im Nachspann entdecken, dass sie die Darsteller nicht in allen Rollen erkannt haben) - aber auch ein Teil der Erzählung.

Es geht nicht um Karma, also darum, dass man mit Schuld oder Verdienst aus vergangenen Existenzen wiedergeboren wird. Es geht darum, die Verantwortung zu erkennen, die man für sich selbst hat, für andere, für die Welt. Und was miteinander verbunden ist, das passiert quasi gleichzeitig: Während ein Anwalt sich auf einem Segelschiff im 19. Jahrhundert mit einem entlaufenen Sklaven anfreundet, befreit ein Aktivist im 22. Jahrhundert eine geklonte Sklavin aus einem grausamen System. Zugleich deckt eine mutige Journalistin die Verbrechen eines Industriebosses in den 1970ern auf, während sich in den 1930er Jahren ein junger Komponist in das Leben eines berühmten Musikers schleicht. Zugleich steht ein Ziegenhirte in einer fernen Welt, die vor Zeiten völlig verwüstet wurde, gegen Gewalt und Hoffnungslosigkeit auf. Wie ist er mit dem Verleger verbunden, der in unserer Gegenwart gegen seinen Willen in der Psychiatrie festgehalten wird? Das Erstaunlichste an diesem außergewöhnlichen, gewagten Film ist, dass sich Regisseure und Produzenten getraut haben, ihn zu realisieren. Respekt!

Albert Schwarzer