Boxhagener Platz

Ostberlin, Ende des Jahres 1968: Am Boxhagener Platz im damaligen Arbeiterbezirk Friedrichshain, übrigens heute eine angesagte „Szenegegend“, lebt der 12jährige Holger. Er – ein Junge, der am liebsten unter Erwachsenen ist und am allerliebsten bei seiner couragierten Oma Otti – schlägt sich damit herum, dass zwischen der offiziell verkündeten Ideologie und der Wirklichkeit ein riesiger Widerspruch herrscht. Während im Fernsehen die feierliche Militärparade zum Jahrestag der DDR übertragen wird und Staatschef Walter Ulbricht von der Macht der Arbeiterklasse spricht, fliegen auf die Straße geheime Flugblätter: „Russen raus aus Prag! Protestiert!“. Und während sein linientreuer Vater, ein ABV (sprich: Abschnittsbevollmächtigter der Volkspolizei) versucht, den Mord an einem Altnazi aufzuklären, will seine Mutter am liebsten in den Westen abhauen und tut es dennoch nicht. Und dann gibt es da noch den Alt-Spartakisten Karl, der darüber nachdenkt, warum in der Arbeiterbewegung entgegen aller Parteipropaganda immer alles schief gelaufen ist. Holger lässt sich von Karl die Welt erklären, hört von Studentenunruhen und der Kommune 1. Doch er bringt sich und vor allem seinen väterlichen Freund in große Gefahr, als er das Gehörte weitererzählt.

Einen „Berliner Heimatfilm“ nennt Regisseur Matti Geschonnek seinen „Boxhagener Platz“ nach dem gleichnamigen Buch von Torsten Schulz. Beide haben in dem dortigen Kiez übrigens ihre Kindheit verbracht. Und tatsächlich spiegelt dieser Film – gerade durch die hervorragende Schauspielerauswahl – einiges vom „Berliner Humor, der jeder Diktatur trotzt“ wider. Leider konnte nicht direkt am Originalschauplatz gedreht werden, mit Ausnahme des Friedhofs in der Boxhagener Straße. Bröckelnde, graue Fassaden wurden in Halle, Eisleben und Dessau gefunden bzw. im Babelsberger Studio nachgebaut. Das wirkt sich auf die Atmosphäre des Films aus, der immer auch etwas Künstliches und Nachgestelltes anhaftet. Insgesamt aber ist Geschonnek mit "Boxhagener Platz" ein vielschichtiges und sehenswertes Kinostück zur politischen Zeitgeschichte gelungen.

DVD-Bildformat: 1:1,85; 16:9
Ton: Dolby Digital 5.1
Sprache: Deutsch
DVD-Extras: Entfallene Szenen, Making of, Interviews, Audiokommentar, Trailer

Barbara Felsmann