120 BPM

Länge:
143 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Kinostart:
30.11.2017
Regie:
Robin Campillo
Darsteller:
Nahuel Pérez Biscayart (Sean), Arnaud Valois (Nathan), Adèle Haenel (Sophie), Antoine Reinartz (Thibault), Félix Maritaud (Max)
Genre:
Drama , Historienfilm
Land:
Frankreich, 2017

Zuletzt erinnerte die britische Channel 4 Serie „It’s a Sin“ an eine Epidemie, die lange Zeit totgeschwiegen wurde: Aids. Eine Krankheit, die man heute medikamentös gut in den Griff bekommt, wenn man sie frühzeitig erkennt. In den 80ern und bis in die 90er hinein bedeutete Aids allerdings noch ein nahezu sicheres Todesurteil für die Erkrankten. Regisseur Robin Campillo engagierte sich in den 90ern selbst jahrelang bei der aktivistischen Bewegung „Act Up“ (Aids Coalition to Unleash Power). Dies mag vielleicht der Grund dafür sein, dass er den europäischen Aids-Aktivst*innen mit „120 BPM“ ein filmisches Denkmal widmet, das mitreißend und gleichzeitig illusionslos die damaligen Proteste, politischen Kämpfe und Hoffnungen zeigt. Bei seiner damaligen Uraufführung bei den Filmfestspielen von Cannes räumte „120 BPM“ gleich drei wichtige Preise ab: den Grand Prix, die Queer Palm sowie den FIPRESCI-Preis.


Was euch im Film „120 BPM“ erwartet:


Während die (ebenfalls sehr sehenswerte) Serie „It’s a Sin“ die ersterbenden Träume einer Generation queerer Menschen in der Aids-Epidemie zum Teil sehr gefühlsbetont beleuchtet, verfährt „120 BPM“ unbarmherzig nüchtern. Im Zentrum des Films steht der etwas introvertierte 26-jährige Nathan (Arnaud Valois), der selbst HIV-negativ ist und eher zufällig in die Bewegung „Act Up“ hineinstolpert. Sofort ziehen ihn die charismatischen Redner*innen in den Bann, die wütend Politiker*innen oder Geistliche anprangern. Wir befinden uns in Paris, Anfang der 90er Jaheinenre: das HI-Virus grassiert schon eine Weile und forderte viele Millionen Opfer auf der ganzen Welt. Während die Politik nur langsam reagiert und es von allen Seiten Diskriminierung auf die Betroffenen hagelt, erzeugen diese mit gewagten Protestaktionen Kontroversen. Ziel ebensolcher ist die Erregung der breiten öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Epidemie soll medial diskutiert, der Druck auf die Machthaber*innen und die Pharmaindustrie erhöht, die Zuständigen und potenziellen Helfer*innen endlich mobilisiert werden. In diesem Wirrwarr lernt Nathan Sean (Nahuel Pérez Biscayart) kennen und lieben. Sean ist einer der Aufgewecktesten, Mutigsten und Radikalsten der Bewegung. Und Sean hat Aids.


Warum „120 BPM“ so verdammt gut ist:


„Aids ist ein Krieg. Ein unsichtbarer Krieg.“ mahnt eine Lautsprecherstimme. Dieser „unsichtbare Feind“ hatte allerdings ziemlich sichtbare Mitstreiter*innen: Menschen, die Aids relativierten, die gegen Schwule hetzten. Sowie Akteur*innen der Pharmaindustrie, die wichtige Erkenntnisse und Fortschritte im Umgang mit Aids lange Zeit aus wirtschaftlichen Interessen zurückhielten. „120 BPM“ rückt diejenigen besonders in den Blick, die trotzdem nicht müde wurden, sich Gehör zu verschaffen, sich Sichtbarkeit zu erkämpfen: die Aids-Aktivst*innen. Robin Campillo verbindet in seinem Film das große Ganze, das Kollektiv – also die packend gefilmten Massenproteste, Paraden, vollen Vorlesungssäle und erhitzten Debatten – unaufdringlich mit der schmerzhaften Geschichte von Individuen und ihrem existenziellen Kampf sowie unbedingtem Überlebenswillen. Herausgekommen ist dabei ein unglaublich packendes filmisches Erlebnis, das man so schnell nicht mehr vergisst. Mit anderen Worten: „120 BPM“ nicht zu schauen – dafür gibt es wirklich keine Entschuldigung.

Nathanael Brohammer

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (48. Woche 2017).